Entscheidungsstichwort (Thema)
Nutzung eines Teileigentums als Tagesstätte für psychisch Behinderte
Leitsatz (amtlich)
Die Zweckbestimmung eines Teileigentums als gewerbliche Räume steht der Nutzung als Tagesstätte mit Kontakt- und Informationsstellenfunktion für Menschen mit psychischer Behinderung nicht entgegen.
Normenkette
WEG §§ 10, 15 Abs. 1, 3, § 43 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 1004
Verfahrensgang
LG Koblenz (Beschluss vom 22.12.2004; Aktenzeichen 2 T 808/03) |
AG Andernach (Aktenzeichen 10 UR II 39/03 WEG) |
Tenor
I. Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde haben die Beteiligten zu 1) bis 4) zu tragen.
III. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 20.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten sind Miteigentümer der im Rubrum genannten Wohnungseigentumsanlage. Die Beteiligte zu 5) hat ihr Teileigentum an die R. vermietet, die darin seit Ende 2003 eine Tagesstätte mit Kontakt- und Informationsstellenfunktion für Menschen mit psychischer Behinderung unterhält. Hiergegen wenden sich die Beteiligten zu 1) bis 4) im Wesentlichen mit der Argumentation, dieser Nutzung stehe der Inhalt der Teilungserklärung, die Bezeichnung der Kellerräume im Aufteilungsplan und die Vereinbarungen in dem zwischen den Beteiligten zu 1) und 5) geschlossenen Kaufvertrag entgegen. AG und LG haben die auf Untersagung dieser Nutzung gerichteten Anträge zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) bis 4) hat keinen Erfolg.
Die sofortige weitere Beschwerde ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (§§ 43 Abs. 1 Nr. 1, 45 Abs. 1 WEG, § 29 Abs. 1, 2 und 4, §§ 27, 22 Abs. 1 FGG).
In der Sache führt das Rechtsmittel nicht zum Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts (§ 43 Abs. 1 S. 1 WEG § 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO). Das LG hat die Erstbeschwerde der Beteiligten zu 1) bis 4) zu Recht mit der Begründung zurückgewiesen, die in den Räumen der Beteiligten zu 5) eingerichtete Tagesstätte stehe weder im Widerspruch zu der Teilungserklärung vom 18.6.1982 noch zu deren Ergänzung in der notariellen Urkunde vom 13.3.1992, dem Kaufvertrag gleichen Datums oder aber dem Gesellschaftsvertrag vom 19.3.1981. Der von den Beteiligten zu 1) bis 4) geltend gemachte Anspruch auf Untersagung des Betriebes der Tagesstätte nach § 1004 BGB i.V.m. § 15 Abs. 1 und 3 WEG ist nicht begründet. Denn die hier streitgegenständliche Nutzung der Räume der Beteiligten zu 5) als Tagesstätte für Menschen mit psychischer Behinderung verstößt nicht gegen eine verbindliche Gebrauchsregelung i.S.v. § 15 Abs. 1 WEG.
Bei der Bezeichnung des Teileigentums in der Teilungserklärung handelt es sich um eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter i.S.d. §§ 10 Abs. 1, 15 Abs. 1 WEG (BayObLG ZMR 2000, 234, zit. nach juris). § 5 Ziff. 2 der Teilungserklärung vom 18.6.1982 bestimmt, dass "zu Gewerbezwecken ausschließlich die Räume im ersten Obergeschoss, im Erdgeschoss sowie die zu dieser Teileigentumseinheit gehörenden Räume im Kellergeschoss dienen". Bei der Auslegung einer solchen Zweckbestimmung, die der Senat als Rechtsbeschwerdegericht ohne Bindung an die Tatsacheninstanz selbst vornehmen kann, ist auf den Wortlaut und Sinn, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt, abzustellen (BGH v. 21.2.1991 - V ZB 13/90, BGHZ 113, 374 [378], MDR 1991, 631; BGHZ 37, 147 [149]; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 30.1.2004 - 3 W 100/03, OLGReport Zweibrücken 2004, 362, m.w.N.). Ausgehend hiervon erfordert die Verwendung des Begriffes Gewerbe im hier vorliegenden Fall nicht, dass die Absicht der Gewinnerzielung im Vordergrund steht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass in den genannten Räumen eine Nutzung gestattet sein soll, die mit Publikumsverkehr und somit unter Umständen mit einer intensiveren Nutzung des Teileigentums einhergehen kann, als dies bei Wohnzwecken dienenden Räumlichkeiten der Fall ist (vgl. auch zur Zulässigkeit von Unterrichts- und Schulungsräumen für Asylbewerber und Aussiedler im Rahmen der Zweckbestimmung als gewerbliche Räume BayObLG v. 22.10.1991 - BReg.2 Z 144/91, MDR 1992, 374 = NJW 1992, 919).
Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1) bis 4) ergibt sich auch nicht etwa aus der Anlage zur Teilungserklärung die Unzulässigkeit der Tagesstätte. Zwar ist dort ein Teil des Kellergeschosses als "Lagerraum" bezeichnet. Im Rahmen der Zweckbestimmung des Teileigentums kommt jedoch der Beschriftung der einzelnen Räume im Aufteilungsplan keine ausschlaggebende Bedeutung zu (BayObLG ZMR 2000, 234). Ansonsten müsste auch die im Aufteilungsplan gewählte Bezeichnung einzelner Räume einer Wohnung, etwa als Wohn- oder Schlafzimmer den Charakter einer Zweckbestimmung haben. Dass dies nicht der Fall ist, liegt auf der Hand. Bei solchen Angaben kann es sich demnach allenfalls um Nutzungsvorschläge handeln. Damit bleibt die in das Grundbuch übernommene Teilungserklärung ...