Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung der Wohnungseigentümer und des Verwalters für Sturmschäden. Schadensersatz
Leitsatz (amtlich)
Eine Haftung der (übrigen) Wohnungseigentümer bzw. des Verwalters für Schäden durch herabfallende Dachziegel setzt voraus, dass der geschädigte Wohnungseigentümer den Nachweis für die Fehlerhaftigkeit des Daches und deren Ursächlichkeit für den Schaden erbringt. Insoweit kommen dem Geschädigten grundsätzlich selbst bei starken Sturmböen die Regeln des Anscheinsbeweises zugute.
Aus Rechtsgründen ist jedoch nicht zu beanstanden, wenn der Tatrichter bei extrem seltenen (allenfalls einmal in 50 bis 100 Jahren) Spitzenwerten für die betroffene Gegend (hier: bis zu 153 km/h) den Anscheinbeweis als erschüttert wertet.
Normenkette
BGB §§ 836, 838; ZPO § 286; FGG §§ 12, 25
Verfahrensgang
LG Landau (Pfalz) (Beschluss vom 05.12.2001; Aktenzeichen 3 T 289/01) |
AG Kandel (Aktenzeichen UR II 13/01. WEG) |
Tenor
1. Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Der Beteiligte zu 1) hat die Gerichtskosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde zu tragen.
3. Der Gegenstandswert der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 1.600,34 Euro festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten zu 1) und 2) sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft, die Beteiligte zu 3) ist deren Verwalter. Der Beteiligte zu 1) beansprucht von den übrigen Wohnungseigentümern und dem Verwalter die Zahlung von Schadensersatz. Er macht geltend, sein auf einem Pkw-Stellplatz vor der Wohnungseigentumsanlage abgestelltes Kraftfahrzeug sei am 26. Dezember 1999 anlässlich des Sturmes „Lothar” durch vom Dach der Wohnungseigentumsanlage herabfallende Ziegel beschädigt worden.
Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Auf Grundlage des vom Beteiligten zu 1) vorgelegten Gutachtens des Deutschen Wetterdienstes ist die Kammer zur Überzeugung gelangt, dass es sich bei dem Sturm „Lothar” um ein – dem Anscheinsbeweis für eine Haftung erschütterndes – außergewöhnliches Naturereignis gehandelt habe. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Beteiligte zu 1) den geltend gemachten Anspruch weiter. Er weist darauf hin, dass es während des Sturmtiefs „Wiebke” am 1. März 1990 einen vergleichbaren Vorfall gegeben habe.
Entscheidungsgründe
II.
Das Rechtsmittel ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (§§ 43 Abs. 1 Nrn. 1 und 2, 45 Abs. 1, 29 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 4, 20, 22 Abs. 1 FGG). In der Sache führt es jedoch nicht zum Erfolg. Denn die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes (§§ 43 Abs. 1 WEG, 27 Abs. 1 FGG).
1. Amts- und Landgericht haben den Antrag auf Zahlung von Schadensersatz ohne Rechtsfehler zurückgewiesen.
a) Dabei kann dahinstehen, ob und ggf. aufgrund welcher rechtlichen Grundlage der Beteiligte zu 1) die übrigen Wohnungseigentümer überhaupt in Anspruch nehmen kann (vgl. dazu etwa BGH NJW 1989, 394, 395), insbesondere ob neben einem deliktischen Schadensersatzanspruch auch solche aus Vertrag gegeben sind und ob sich insoweit die übrigen Wohnungseigentümer das Verhalten des Verwalters als Erfüllungsgehilfe zurechnen lassen müssen (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 587, 588 und FGPrax 1999, 96, 97 m.w.N.). Denn Voraussetzung für eine Haftung der Beteiligten zu 2) und 3) wegen Verletzung vertraglicher Pflichten und aus unerlaubter Handlung (§§ 836, 838 BGB) wäre, dass der Beteiligte zu 1) als Geschädigter den Nachweis für eine objektive Fehlerhaftigkeit des Daches und deren Ursächlichkeit für den Schadenseintritt erbringt (vgl. BGH NJW 1999, 2593, 2594; Geigel/Haag, Der Haftpflichtprozess 23. Aufl. Kap. 19 Rdnr. 12; Palandt/Thomas, BGB 61. Aufl. § 836 Rdnr. 8). Hier fehlt es bereits an einer entsprechenden Darlegung. Insoweit kommen dem Beteiligten zu 1) auch nicht die Grundsätze des Anscheinsbeweises zugute.
aa) Grundsätzlich sind die Regeln des Anscheinsbeweises im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit anwendbar (vgl. Niedenführ/Schulze, WEG 4. Aufl. vor §§ 43 ff. Rdnr. 107; Baumbach/Hartmann, ZPO 60. Aufl. Anh. § 286 Rdnr. 23). Sie greifen auch bei Schäden infolge solcher Witterungseinflüsse ein, mit denen naturgemäß zu rechnen ist. Hält etwa ein Gebäude oder Gebäudeteil einem sehr starken Sturm nicht stand, so rechtfertigt dies nach der Lebenserfahrung, auf die sich der Anscheinsbeweis gründet, den Schluss, dass das Gebäude oder der Gebäudeteil nicht ordnungsgemäß, d. h. nicht den für den Widerstand gegenüber Witterungseinflüssen gebotenen Anforderungen entsprechend errichtet und/oder unterhalten worden ist (vgl. BGH NJW 1999, 2593, 2594; NJW 1993, 1782, 1783; OLG Zweibrücken OLGZ 1969, 341, 342 f.; OLG Düsseldorf NJW-RR 1992, 1244, 1245 und MDR 1998, 1350; Staudinger/Beling/Eberle-Borges (§ 1997) § 836 Rdnr. 75; Geigel/Haag aaO Kap. 19 Rdnr. 12). Der Anscheinsbeweis kann jedoch in Fällen außerordentlicher Naturereignisse, mit denen erfahrungsgemäß nicht zu rechnen ist, erschüttert werden. Im allgemeinen reichen dazu je...