Leitsatz (amtlich)
Vortrags- und Beweislast bei der Produkthaftung des Herstellers eines Motorrades wegen möglicherweise unzureichend funktionierender Bremsen ("wandernder Bremspunkt").
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1; ProdHaftG § 1 Abs. 2 Nr. 5, Abs. 4 S. 1, § 3 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Kaiserslautern (Urteil vom 07.12.2021; Aktenzeichen 3 O 805/16) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 07.12.2021 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern, Az. 3 O 805/16, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmig gefassten Beschluss zurückzuweisen.
2. Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 16.09.2022.
Gründe
Die Berufung des Klägers hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Der Vorderrichter hat die Klage mit durchweg zutreffender Begründung zu Recht abgewiesen, weil schon kein Fehler des Motorrades i.S.v. § 3 Abs. 1 ProdHaftG bzw. i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB erwiesen ist, jedenfalls aber der Kläger nicht nachzuweisen vermochte, dass der verunfallte Zeuge ... gerade infolge eines (zu seinen Gunsten unterstellten) Produktfehlers zu Schaden kam. Im Übrigen wäre eine Haftung der Beklagten wegen der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung des Zeugen ... ausgeschlossen. Die Berufungsangriffe führen zu keiner anderen Beurteilung.
Auch die weiteren Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Berufung mittels Beschlusses (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 - 4 ZPO) liegen vor.
Im Einzelnen gilt folgendes:
1. Die Berufung ist bereits insoweit z.T. unzulässig, als der Klageantrag zu 2 abgewiesen worden ist. Der Vorderrichter hat festgestellt, dass dem Kläger das erforderliche Feststellungsinteresse fehlt, soweit er die Einstandspflicht der Beklagten für bereits entstandene materielle wie immaterielle Schäden festgestellt wissen will. Berufungsangriffe hiergegen führt der Kläger entgegen § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO nicht.
Bereits entstandene materielle Schäden (Zusatzkosten zu Heilbehandlungen, Fahrtkosten, beschädigte Motorradbekleidung) hat der Kläger beziffert und auf den Zeitraum vor Klageerhebung begrenzt, so dass eine Feststellung auch nicht deshalb auszusprechen ist, weil ein sich fortentwickelnder Schaden nicht notwendigerweise in einen Leistungsantrag (für die Vergangenheit) und einen Feststellungsantrag (für die Zukunft) aufzuteilen ist. Weitere gegenwärtige Sachschäden hat der Kläger nicht substantiiert behauptet. Ganz im Gegenteil zeigt sein Antrag auf Streitwertfestsetzung (Bl. 56 d.A.), dass der Kläger mit dem Feststellungsantrag lediglich immaterielle Ansprüche verfolgt; er taxiert den Feststellungsantrag mit 80% seines bezifferten Schmerzensgeldantrages. Im Hinblick auf das eingeklagte Schmerzensgeld decken sich in unzulässiger Weise die Klageanträge zu 1 und zu 2 bzgl. bereits entstandener immaterieller Schäden. In Bezug auf künftige immaterielle Schäden geht der Kläger zwar von Spätfolgen und weiteren künftigen Einschränkungen infolge seines Sturzes aus. Die diesbezügliche Ungewissheit begründet das notwendige Feststellungsinteresse für eine Feststellungsklage, zumal die Verjährung auch zukünftiger Schadensersatzansprüche droht. Ein Feststellungsinteresse könnte nur verneint werden, wenn aus der Sicht des Klägers bei verständiger Beurteilung kein Grund besteht, mit Spätfolgen zu rechnen (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 18.02.2002, Az 12 U 1400/00, Juris). Allerdings übersieht der Kläger den Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes. Dieser gebietet es, die Höhe des dem Geschädigten zustehenden Anspruchs aufgrund einer ganzheitlichen Betrachtung der den Schadensfall prägenden Umstände unter Einbeziehung der bereits jetzt absehbaren künftigen Entwicklung des Schadensbildes zu bemessen. Dementsprechend werden nur solche Verletzungsfolgen, die zum Beurteilungszeitpunkt noch nicht eingetreten waren und deren Eintritt objektiv nicht vorhersehbar war, mit denen also nicht oder nicht ernstlich gerechnet werden musste und die deshalb zwangsläufig bei der Bemessung des Schmerzensgeldes unberücksichtigt bleiben müssen, von der vom Gericht ausgesprochenen Rechtsfolge nicht umfasst und können deshalb Grundlage für einen Anspruch auf weiteres Schmerzensgeld sein (BGH, Urteil vom 14.02.2006, Az. VI ZR 322/04, Juris). Der Antrag auf Feststellung der Einstandspflicht für weitere immaterielle Schäden wäre dementsprechend zu begrenzen gewesen.
2. Die Klage ist im Übrigen unbegründet. Eine der Beklagten zur Last fallende Fehlerhaftigkeit der Bremsanlage des verunfallten Motorrades steht nach der korrekt durchgeführten Beweisaufnahme und der fehlerfreien Beweiswürdigung durch den Vorderrichter nicht fest; weitergehende Feststellungen hierzu waren nicht zu treffen.
a) Nach § 3 Abs. 1 ProdHaftG - nichts anderes gilt für den Bereich der deliktischen Produkthaftung nach § 823 Abs. 1 BGB (BGH, Urteil vom 16.06.2009, Az. VI ZR 107/08, Juris) - hat ein Produkt einen "Fehler", wenn es nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichti...