Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz und Schmerzensgeld bei schwerem Geburtsfehler
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Bemessung des Schadensersatzes wegen eines vermehrten Bedürfnisses für Pflege und Betreuung eines durch einen ärztlichen Behandlungsfehler bei der Geburt schwer geschädigten Kindes durch Eltern im Rahmen häuslicher Gemeinschaft sowie bei anderweitigem statioriärem Aufenthalt, insb. zur Bewertung so genannter "Bereitschaftszeiten" der Eltern.
2. Zur Bemessung der Entschädigung in Geld wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist - sog. Schmerzensgeld - bei einem durch einen groben ärztlichen Behandlungsfehler bei der Geburt schwer geschädigten Kindes unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Entwicklung und veränderter allgemeiner Wertvorstellungen.
Im konkreten Fall: Schmerzensgeldkapitalbetrag 500.000 EUR zuzüglich Schmerzensgeldrente monatlich 500 EUR.
Normenkette
BGB § 843 Abs. 1; BGB a.F. § 847
Verfahrensgang
LG Landau (Pfalz) (Urteil vom 25.01.2007; Aktenzeichen 4 O 204/05) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Teilurteil der 4. Zivilkammer des LG Landau vom 25.1.2007 in Ziff. III abgeändert und insoweit wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger als Betreuungsmehraufwand für die Zeit vom 1.2.1996 bis 31.12.2004 nebst Kosten für Kleinpositionen insgesamt 184.264,61 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.11.2004 zu bezahlen.
2. Die weitergehende Klage bzgl. Betreuungsmehraufwand und Kleinpositionen wird, soweit Gegenstand des Teilurteils, abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
III. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
IV. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger 40 %, die Beklagten 60 % zu tragen,
V. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils jeweils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
VI. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der am ... 1996 geborene Kläger erlitt bei seiner Geburt in dem seinerzeit in der Trägerschaft des Beklagten zu 1) stehenden Kreiskrankenhaus ..., dessen gynäkologische Abteilung damals der Beklagte zu 2) als Chefarzt leitete, infolge eines ärztlichen Behandlungsfehlers durch eine Sauerstoffunterversorgung eine schwere Hirnschädigung.
Durch Urteil des LG Landau vom 6.11.2003, Aktenzeichen 4 O 2/02, wurde rechtskräftig festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger den gesamten vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen materiellen und immateriellen Schaden aus Anlass der Geburt zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind. In diesem Urteil ist weiter festgestellt, dass die Geburtsschäden des Klägers durch grobe ärztliche Pflichtverletzungen des Beklagten zu 2 bei der Überwachung der Geburt des Klägers und bei der Geburtshilfe verursacht worden sind.
Der Kläger ist geistig und körperlich schwerstbehindert und befindet sich auf dem Entwicklungsstand eines wenige Monate alten Kindes. Er ist nahezu blind. Er kann weder stehen, gehen noch mit den Händen greifen. Wenn er auf dem Rücken liegt, ist er nicht in der Lage, sich zu drehen. Er leidet an einer extremen Tetraspastik sämtlicher Extremitäten, die zu multiplen Kontrakturen geführt hat. An den Fingergelenken finden sich Beugekontrakturen. Eine Kopf- oder Haltungskontrolle, ein Drehen und Fortbewegen sind nicht möglich. Der Kläger leidet an einer völligen Rumpfinstabilität, sitzen kann er nur mit Unterstützung. Er kann nur breiartige Nahrung zu sich nehmen; dies wird mit Unterstützung einer Ernährungssonde und Ernährungspumpe durchgeführt. Infolge der Hirnschädigung sind beim Kläger epileptische Anfälle aufgetreten und als Folge mangelnder Bewegungsfähigkeit hat sich bei ihm ein Hüfthochstand entwickelt, der bereits operativ korrigiert werden musste.
Seit 11.7.2004 befindet sich der Kläger in einem sozialpädagogischen Wohnheim in K. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde er in erster Linie von seinen Eltern zu Hause betreut und versorgt.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger von den Beklagten ein angemessenes Schmerzensgeld in einer Größenordnung von 500.000 EUR und eine angemessene Schmerzensgeldrente in einer Größenordnung von 511 EUR monatlich. Er ist der Auffassung, dass diese Beträge die Untergrenze dessen darstellen, was zum Ausgleich seines immateriellen Schadens erforderlich sei.
Außerdem begehrt er von den Beklagten Schadensersatz i.H.v. insgesamt etwa 983.000 EUR, der verschiedene Schadenspositionen umfasst:
- A. Betreuungsmehraufwand in der Zeit vom 1.2.1996 bis 31.12.2004 (782.200,50 EUR )
- B. Kosten für die Betreuung durch die Lebenshilfe Bühl (798,18 EUR)
- C. Kraftfahrzeugkosten (19.002,43 + 49.206,85 EUR)
- D. Fahrtkosten (15.626 EUR)
- E. Baumehrkosten (120.130 EUR)
- F. Div. Kleinpos...