Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu Überwachungs- und Sicherungsmaßnahmen bei suizidgefährdeten Personen in einer psychiatrischen Klinik
Verfahrensgang
LG Frankenthal (Pfalz) (Urteil vom 20.12.2006; Aktenzeichen 4 O 502/03) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Frankenthal (Pfalz) vom 20.12.2006 - 4 O 502/03, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Nebenintervention zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Kläger kann der Vollstreckung durch die Beklagte und die Streithelfer durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte und die Streithelfer jeweils Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der am ... 1961 geborene Kläger nimmt die Beklagte, Trägerin der Klinik "..." in ..., auf Schmerzensgeld und Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen der Folgen eines mutmaßlichen Selbsttötungsversuchs vom 7.10.2001 in Anspruch.
Der Kläger wurde am 6.10.2001 von seiner Ehefrau mit den drei gemeinsamen Kindern verlassen. Am gleichen Tag täuschte er einen Suizid durch Einnahme von Tabletten vor. Am Folgetag wurde er abends in der geschlossenen psychiatrischen Abteilung der Klinik der Beklagten ärztlich aufgenommen. Ihm wurde im Flur eine Liege aufgestellt, wo er wegen bestehenden Platzmangels die Nacht verbringen sollte.
Im frei zugänglichen Raucherzimmer der Station war ein Fenster, das mit einem verschließbaren Dreh-Kipp-Beschlag versehen war, gekippt. Mit einem Brötchenmesser aus der Küche der Station gelang es dem Kläger, das Fenster ganz zu öffnen und hinaus zu springen. Bei dem Sturz aus dem zweiten Obergeschoss (circa 10 m Höhe) zog er sich schwere Verletzungen, insbesondere den Bruch des dritten Lendenwirbels mit dauerhaften Lähmungsfolgen, Beckenringfraktur und anderes, zu. Er ist aufgrund der Unfallfolgen dauerhaft schwerstbehindert.
Der Kläger hat vorgetragen, er sei bei Aufnahme in der Klinik stark suizidgefährdet gewesen. Er sei behandlungsfehlerhaft weder überwacht noch medikamentös behandelt worden. Die Sicherung der Fenster sei unzureichend gewesen. In Anbetracht seiner schweren Verletzungen sei ein Schmerzensgeld i.H.v. 275.000 EUR angemessen.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes, in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, und darüber hinaus festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm allen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihm infolge des Sturzes am 7.10.2001 künftig entstehen werde.
Die Beklagte und ihre Streithelfer haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie haben geltend gemacht, der Kläger sei nicht nur wegen des Verdachts der Eigengefährdung sondern auch wegen nicht auszuschließender Fremdgefährdung, insbesondere seiner Ehefrau und der Kinder, vorübergehend stationär aufgenommen worden. Angebotene Beruhigungsmittel habe er abgelehnt. Er sei durchgängig in Abständen von 10 bis 20 Minuten überwacht worden. Der Kläger habe sich während des gesamten Zeitraums seit seiner Aufnahme völlig ruhig verhalten. Die Sicherheitsvorkehrungen die Fenster betreffend seien ausreichend.
Die Kammer hat nach Erhebung von Zeugen- und Sachverständigenbeweis die Klage abgewiesen.
Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liege nicht vor.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei auch ein Behandlungsfehler nicht festzustellen. Auf die Begründung des Urteils erster Instanz im Einzelnen wird verwiesen.
Mit der Berufung wiederholt der Kläger, es habe bei ihm eine akute Suizidalität im Zeitpunkt seiner Aufnahme bestanden. Insbesondere zu Beginn einer stationären Behandlung habe die Sicherheit des Patienten Vorrang. Das LG habe im angefochtenen Urteil die Aussagen der Zeugen H. und P. nicht überzeugend gewürdigt.
Ausgehend von der Aussage der Zeugin Dr. B., wonach ihm Medikamente angeboten worden seien, die er aber abgelehnt habe, sei seine Überwachung in kurzen zeitlichen Abständen angezeigt gewesen. Die Station sei mit nur einer Schwester unterbesetzt gewesen.
Die Beklagte hafte wegen der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Die Sicherung der Fenster der geschlossenen Station sei unzureichend gewesen, da die Verankerung des Fensterflügels im gekippten Zustand leicht aufzuheben war. Es sei deshalb geboten gewesen, das Raucherzimmer zum Lüften abzuschließen. Weitere, vom Sachverständigen genannte Sicherungsmöglichkeiten seien ebenfalls nicht eingesetzt worden.
Die Verkehrssicherungspflicht sei auch deshalb verletzt, weil ihm ein Brötchenmesser zugänglich gewesen sei. Dessen Einsatz als Werkzeug sei nicht fernliegend.
Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes, in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu za...