Leitsatz (amtlich)
1. Im Rahmen der richtlinienkonformen Anwendung der Schrankenregelung des § 45 Abs. 1 und 3 UrhG erfordert der Drei-Stufen-Test des Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2001/29/EG nicht nur eine Prüfung der Gebotenheit der Nutzung des geschützten Werks durch eine Verwaltungsbehörde, sondern auch einen beständigen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Nutzung und dem behördlichen Verfahren.
2. Dieser zeitliche Zusammenhang besteht in Verfahren der Bauleitplanung im Falle der öffentlichen Zugänglichmachung des Werks über das Internet nach §§ 3 Abs. 2, 4a Abs. 4 BauGB nur bis zum Abschluss des Verfahrensabschnitts der Öffentlichkeitsbeteiligung und nicht bis zum förmlichen Abschluss des Planaufstellungsverfahrens.
Normenkette
BauGB § 3 Abs. 2, § 4a Abs. 4; EGRL 29/2001 Art. 5 Abs. 3 Buchst. e, Abs. 5; UrhG § 45 Abs. 1, 3
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 6. März 2018 geändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, den nachfolgend abgebildeten Kartenausschnitt der Öffentlichkeit über das Internet zugänglich zu machen, wie unter der URL http://www.stadt-kastellaun.de /fileadmin/user_upload/downloads/Bebauungsplaene/Kastellaun /Kastellaun-Aldi/ALDI_KastellaunAtypik_klein.pdf?PHPSESSID=307d7ce809a41709a65126177e1fd40d geschehen:
((Abbildung))
2. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 1. Ordnungsgeld bis zu 250 000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft bzw. Ersatzordnungshaft jeweils zu vollziehen sind am Bürgermeister der Beklagten.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien des Rechtsstreits streiten um einen urheberrechtlichen Anspruch auf Unterlassung der öffentlichen Zugänglichmachung eines Landkartenausschnitts über das Internet.
Die Klägerin bietet unter ihrer Internetadresse Landkarten und Stadtpläne zur lizenzpflichtigen Nutzung an.
Die Beklagte, die Verbandsgemeinde Kastellaun, stellte auf der von ihr für die Verbandsangehörige Stadt Kastellaun betriebenen Internetseite einen Kartenausschnitt ein, an dem die Klägerin die ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte hat. Die Beklagte hatte den Kartenausschnitt im Rahmen eines bauplanungsrechtlichen Verfahrens zur Umgestaltung eines Supermarkts als inhaltlichen Bestandteil des von einem Bauwilligen beauftragten Exposés eines privaten Planungsbüros erhalten, mit dem eine "atypische Fallgestaltung" im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO geltend gemacht wurde. Hiermit wollte die Beklagte der sie gemäß § 4a Abs. 4 BauGB treffenden Pflicht genügen, Planunterlagen in das Internet einzustellen. Die Beklagte verfügte über kein Nutzungsrecht an dem Kartenausschnitt.
Die von der Klägerin nach erfolgloser Abmahnung erhobene Unterlassungsklage ist bei dem Landgericht Frankenthal (Pfalz) ohne Erfolg geblieben (Urteil vom 06. März 2018 - 6 O 187/17, juris). Auf die Berufung der Klägerin hat der erkennende Senat den von der Beklagten reklamierten Ausschluss des Urheberrechtsschutzes nach § 5 UrhG verneint und der Klage stattgegeben (Urteil vom 28. Februar 2019 - 4 U 37/18, GRUR-RR 2019, 343). Auf die von dem Senat zugelassene Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof (Urteil vom 21. Januar 2021 - I ZR 59/19, GRUR 2021, 711, vorgesehen für BGHZ) das vorbezeichnete Senatsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung in die Berufungsinstanz zurückverwiesen. Dabei hat der Bundesgerichtshof den rechtlichen Ansatzpunkt des Senats für zutreffend erachtet, dass der als Bestandteil des Exposés veröffentlichte Kartenausschnitt im Streitfall kein amtliches Werk im Sinne des § 5 UrhG ist. Es müsse jedoch geprüft werden, ob die Schrankenregelung des § 45 Abs. 1 und 3 UrhG dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch entgegensteht.
In dem wiedereröffneten Berufungsverfahren verfolgen die Parteien weiterhin ihre jeweiligen Prozessziele für die zweite Instanz.
Zu den in dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21. Januar 2021 (dort Rnrn. 21 ff) als noch prüfungsbedürftig genannten Punkten haben sie ergänzend vorgetragen.
Nach dem tatsächlichen Vorbringen der Beklagten wurde der Stadtratsbeschluss zur Planaufstellung am 24. Juli 2012 gefasst und erfolgte die Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 3 Abs. 2 BauGB in der Zeit vom 13. August 2012 bis zum 13. September 2012. Nach Abschluss des Verfahrensabschnitts Öffentlichkeitsbeteiligung wurde der Link auf das Exposé mit dem Kartenausschnitt von der Internetseite der Stadt Kastellaun entfernt. Diese Daten waren danach dort nur noch im "Back-End" nach gezielter Recherche unter Verwendung von Suchbegriffen abrufbar, wie seitens der Klägerin im Februar 2014 geschehen. Beendet wurde das bauplanungsrechtliche Verfahren durch am 28. August 2020 öffentlich bekannt gema...