Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu einer unter Ausspruch eines Leistungsgebots erfolgten Grundsteuerfestsetzung gegenüber dem Insolvenzschuldner für ein aus dem Insolvenzbeschlag freigegebenes Grundstück, das auch einer Zwangsverwaltung unterlag. Freigabe. Freigabeerklärung. Grundsteuer. Grundsteueränderung. Grundsteuerfestsetzung. Grundstück. Insolvenz. Insolvenzforderung. Insolvenzschuldner. Insolvenzverfahren. Insolvenzverwalter. Masseverbindlichkeit. Restschuldbefreiung. Treuhänder. Zwangsverwaltung
Normenkette
InsO § 32 Abs. 3, § 206 S. 1 Nr. 2, § 286
Verfahrensgang
VG Halle (Saale) (Urteil vom 27.02.2008; Aktenzeichen 5 A 293/05) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle – 5. Kammer – vom 27. Februar 2008 geändert und die Klage abgewiesen, soweit der Grundsteueränderungsbescheid der Beklagten aus November 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2005 für den Zeitraum 1. Januar 2003 bis 3. März 2004 angefochten worden ist.
Die Klägerin trägt die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu 54 % und die Beklagte zu 46 %. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Beschluss ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1 041,67 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Klägerin war Eigentümerin eines Grundstücks, das im Februar 1999 unter Zwangsverwaltung gestellt wurde. Im August 2001 eröffnete das Amtsgericht Halle das (Verbraucher)Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin. Nachdem der im Insolvenzverfahren bestellte Treuhänder im Juli 2002 der Klägerin eine Freigabeerklärung hinsichtlich des Grundstücks übermittelt hatte, wurde das Grundstück im März 2004 im Wege der Zwangsversteigerung veräußert. Das Amtsgericht Halle hob die Zwangsverwaltung im April 2004 und das Insolvenzverfahren mit Beschluss vom 30. Juli 2004 auf. In dem Beschluss stellte das Gericht der Klägerin eine Restschuldbefreiung nach Ablauf von fünf Jahren in Aussicht. Nachdem das zuständige Finanzamt den Grundsteuermessbetrag für das Grundstück zum 1. Januar 2002 erhöht hatte, nahm die Beklagte in einem im November 2004 erlassenen und an die Klägerin gerichteten Grundsteueränderungsbescheid und einem diesem Bescheid beigefügten Schreiben eine zusätzliche Grundsteuerfestsetzung für den Zeitraum 1. Januar 2002 bis 3. März 2004 vor und führte aus, es bestehe gegenüber der Person der Klägerin ein Rückstand i.H.v. 1 930,30 EUR, der sofort zur Einzahlung zu bringen sei. Den erhobenen Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. August 2005 zurück.
Das Verwaltungsgericht hat auf die fristgerecht erhobene Anfechtungsklage den Änderungsbescheid der Beklagten und ihren Widerspruchsbescheid mit Urteil vom 27. Februar 2008 aufgehoben: Es handele es sich bei den Grundsteuern für den Zeitraum 1. Januar 2002 bis 3. März 2004 insgesamt um Masseverbindlichkeiten, so dass den streitigen Verfügungen § 206 Satz 1 Nr. 2 InsO entgegen stehe. Die im Jahre 2002 erfolgte Freigabe des Grundstücks vermöge nicht durchzugreifen. Es spreche bereits viel dafür, dass die Form der Freigabe allein gegenüber der Klägerin nicht wirksam sei. Wie § 32 Abs. 2 InsO zeige, müsse bei der Freigabe eines Grundstücks das Insolvenzgericht einbezogen werden, das die Löschung des Insolvenzvermerks im Grundbuch zu veranlassen habe. Weiterhin spreche entscheidend gegen eine Wirksamkeit, dass das Insolvenzverfahren nach der Freigabe des Grundstücks nicht mehr in der Lage sei, sein gesetzliches Ziel zu erreichen, nämlich die Schaffung einer Gelegenheit für den redlichen Schuldner, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien. Selbst wenn man eine Wirksamkeit der Freigabe unterstelle, bleibe für den Zeitraum ab 1. Januar 2003 die Freigabe darauf beschränkt, dass die Grundschuldgläubiger das Grundstück im Wege der Zwangsvollstreckung hätten verwerten dürfen. Weiter wäre die Grundsteuer vom Zwangsverwalter nach § 156 Abs. 1 ZVG zu berichtigen. Soweit allerdings der Steuergläubiger insoweit ausfalle, komme gegenüber dem privaten Gemeinschuldner wegen der insolvenzrechtlichen Regelungen über die Restschuldbefreiung gem. § 206 Satz 1 Nr. 2 InsO nur ein Anspruch gegen die vom Insolvenzverwalter verwaltete Masse in Betracht. Dieses Ergebnis entspreche den Wertungen der Insolvenzordnung und werde dadurch gestützt, dass der Schuldner während des Insolvenzverfahrens nicht in der Lage sei, über sein Vermögen zu verfügen und ihm Fehler und Versäumnisse des grundsätzlich nicht von ihm eingesetzten Insolvenzverwalters nicht zuzurechnen seien. Eine Festsetzung von während des Insolvenzverfahrens entstandenen Steuern nach dessen Aufhebung als Neuschuld...