Verfahrensgang
OVG des Saarlandes (Beschluss vom 25.06.2014; Aktenzeichen 5 L 854/14) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 25. Juni 2014 – 5 L 854/14 – die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin wiederhergestellt, soweit sich dieser gegen die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 19.7.2013 unter Nr. 1 getroffene Anordnung der Herstellung eines zweiten Rettungswegs für alle Wohnungen in den Anwesen B.straße 29 und 31 richtet, und hinsichtlich der diesbezüglichen Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 5.000,– EUR angeordnet.
Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin zu 1/6 und die Antragsgegnerin zu 5/6.
Der Streitwert für das Verfahren wird unter Abänderung der Festsetzung in dem angefochtenen Beschluss für beide Instanzen auf 12.000,– EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin ist Verwalterin des im Eigentum einer Wohnungseigentümergemeinschaft stehenden Anwesens B.straße Nr. 29 und Nr. 31 in A-Stadt. Dabei handelt es sich um zwei aneinander gebaute mehrgeschossige Mehrfamilienwohnhäuser. Die Antragstellerin wendet sich gegen eine brandschutzrechtlich begründete Anordnung der Antragsgegnerin.
Im Anschluss an eine im April 2013 auf Bitte mehrerer Wohnungseigentümer durchgeführte örtliche Überprüfung der Wohnanlage, an der auch ein Vertreter der Berufsfeuerwehr beziehungsweise des Amtes für Brand- und Zivilschutz der Antragsgegnerin teilgenommen hatte, forderte diese die Antragstellerin in deren Eigenschaft als Verwalterin unter dem 19.7.2013 unter Bezugnahme auf den § 57 Abs. 2 LBO 2004 zur Herstellung eines zweiten Rettungswegs für alle Wohnungen des Gebäudes bis zum 1.11.2013 (1.) sowie – insoweit unter Fristsetzung zum 23.8.2013 – zur Schaffung sicher benutzbarer Nottreppenräume bis zu dessen Fertigstellung auf (2.). In der Begründung heißt es unter anderem, das Gebäude verfüge derzeit nur über einen ersten Rettungsweg in Form eines Treppenhauses. Ein nach den §§ 3, 15 und 33 LBO 2004 erforderlicher zweiter Rettungsweg zum Beispiel über die Außenfenster der einzelnen Wohnungen sei derzeit nicht nutzbar. Die Wohnungsfenster seien nur bis zu einer Höhe von 7 m über Steck- und Schiebeleitern der Feuerwehr erreichbar. Die höher liegenden Wohnungen könnten nicht mit Rettungsgerät der Feuerwehr erreicht werden, weil für die notwendigen Hubrettungsfahrzeuge weder eine Zufahrt noch Aufstellungsflächen vorhanden seien. Deswegen seien entweder diese Voraussetzungen zu schaffen oder ein zweiter Rettungsweg über geeignete bauliche Maßnahmen an den Gebäuden „zur Genehmigung zu beantragen”. Da im jederzeit möglichen Brandfall erhebliche Gefahr für Leib und Leben bestehe, wenn der erste Rettungsweg durch Feuer oder starke Rauchentwicklung nicht mehr nutzbar sei, ordnete die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheides an. Für den Fall nicht fristgerechter Befolgung wurden der Antragstellerin Zwangsgelder in Höhe von 5.000,– EUR beziehungsweise 1.000,– EUR angedroht.
Zur Begründung ihres dagegen erhobenen Widerspruchs machte die Antragstellerin geltend, sie sei lediglich Verwalterin der Anwesen und daher nicht die richtige Adressatin der Anordnung. Diese sei auch in der Sache nicht rechtmäßig, weil sie nachträglich in den „schutzwürdigen Bestand” der für die Gebäude in den 1960er Jahren vor Inkrafttreten der Landesbauordnung erteilten Baugenehmigung eingreife. Vermutlich habe es nach dem damals einschlägigen Saarländischen Baugesetz noch keine Verpflichtung zur Vorhaltung eines zweiten Rettungswegs gegeben. Die Anordnung sei auch nicht erforderlich. Eine bloße Verschärfung von Anforderungen an den Brandschutz rechtfertige noch kein Einschreiten gegen rechtmäßig errichtete bauliche Anlagen. Sehe der Gesetzgeber von der Normierung einer entsprechenden Nachrüstungspflicht für bestehende Anlagen innerhalb einer angemessenen Übergangsfrist ab, so könne deren Einhaltung grundsätzlich nur bei Neubauten verlangt werden. Ansonsten bedürfe es einer Beurteilung der Situation im Einzelfall. Eine solche einzelfallbezogene fachkundige brandschutztechnische Bewertung beziehungsweise die Feststellung einer erheblichen Gefahrensituation habe nicht stattgefunden. Die Antragsgegnerin habe lediglich die Nichteinhaltung der heute geltenden Anforderungen festgestellt und auch keine Ermessensentscheidung unter Würdigung der Schutzwürdigkeit des Vertrauens auf den Bestand getroffen. Deshalb sei die Anordnung aufzuheben und bis dahin deren Vollstreckung auszusetzen.
Erst im April 2014 legte die Antragsgegnerin den Widerspruch ihrem Stadtrechtsausschuss zur Entscheidung vor. Die anschließende Festsetzung der angedrohten Zwangsgelder in Höhe von insgesamt rund 6.000,– EUR vom 8.4.2014 wegen Nichtbefolgung der Anordnungen hat die Antragstellerin ebenfalls angefochten. Sie ist Gegenstand eines weiteren – auch in der Beschwerdeinstanz anhängigen – Aussetzungsverfahrens.