Entscheidungsstichwort (Thema)
Mobilfunkbasisstation im allgemeinen Wohngebiet
Leitsatz (amtlich)
1. Hat die Bauaufsichtsbehörde ein Nutzungsverbot (§ 82 Abs. 2 LBO 2004) tragend mit materiellrechtlichen Erwägungen begründet, ist im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle der Entscheidung unter dem Aspekt ordnungsgemäßer Ausübung des Entschließungsermessens über die Feststellung der sonst den Erlass einer solchen Verfügung rechtfertigenden formellen Illegalität der Nutzung hinaus eine inhaltliche Überprüfung der Tragfähigkeit der angestellten rechtlichen Erwägungen geboten.
2. Bei der Prüfung der Zulässigkeit von Anlagen des Mobilfunks (Mobilfunkbasisstation) in durch Bebauungsplan förmlich festgesetzten Wohngebieten sind wegen der in § 1 Abs. 3 Satz 2 BauNVO aller bisherigen Fassungen der Baunutzungsverordnung angeordneten (statischen) Übernahme die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des konkreten Bebauungsplans geltenden Bestimmungen über die Baugebiete (Art der baulichen Nutzung) als Norminhalt zugrunde zu legen.
3. Die Zulässigkeit der Anlagen in einem durch Bebauungsplan unter Geltung der Fassungen der Baunutzungsverordnung vor 1990 festgesetzten allgemeinen Wohngebiet ergibt sich bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Zulassung (§ 31 Abs. 1 BauGB) aus § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1962/68/77, wonach dort ausnahmsweise nicht störende Gewerbebetriebe zugelassen werden können.
4. Die Frage eines in diesem Sinne störenden Charakter der Sendestation ist, was die Strahlenwirkungen bei Betrieb der Antennen anbelangt, ungeachtet der (bewusst) darin nicht enthaltenen Vorsorgekomponente einzelfallbezogen abschließend unter Zugrundelegung der Vorgaben der auf der Grundlage der Empfehlungen der Strahlenschutzkommission (SSK) zum Schutz vor hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung beim Mobilfunk (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung) erlassenen, bestimmte Schutzpflichten des Anlagenbetreibers normierenden 26. BImSchV zu beantworten.
5. Gleichzeitig wird insoweit auch mit Blick auf das baurechtliche Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme (§§ 15 BauNVO, 22 BImSchG) unter Strahlungsgesichtspunkten die Zumutbarkeitsschwelle für die Nachbarschaft (abschließend) festgelegt. Daher findet auch über das baurechtliche Rücksichtnahmegebot im Rahmen des § 31 Abs. 1 BauGB, was die Strahlungswirkungen angeht, keine weitere „Feinabstimmung auf der zweiten Stufe” statt, die dann für sich genommen über die Grenzwertbildung nach der 26. BImSchV hinaus zur städtebaulichen Unzulässigkeit unter diesem Aspekt führen könnte.
6. Zu den Voraussetzungen für die Erteilung einer „isolierten” Ausnahme (§ 31 Abs. 1 BauGB) für eine nach § 61 Abs. 1 Nr. 4c und Nr. 4d LBO 2004 verfahrensfreie Mobilfunkanlage durch die Gemeinden (§ 68 Abs. 3 LBO 2004).
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 22.6.2006 – 5 F 13/06 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren sowie unter entsprechender Abänderung der Festsetzung in dem zuvor genannten Beschluss auch für das erstinstanzliche Verfahren auf 10.000,– EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin unterhält ein Mobilfunknetz und betreibt in dessen Rahmen seit Juli 2005 eine Sendeanlage (sog. Mobilfunkbasisstation), bestehend aus Antennenträger auf dem Dach sowie einem Betriebsraum im Keller des Gebäudes auf der Parzelle Nr. 319/2 in Flur 39 der Gemarkung V (Anwesen S.straße Nr.1). Das Grundstück liegt im Geltungsbereich eines nach Angaben der Antragsgegnerin im Jahre 1968 in Kraft getretenen Bebauungsplans, der hinsichtlich der zulässigen Art der baulichen Nutzung ein allgemeines Wohngebiet (WA) festsetzt. Nachdem es seit September 2005 zu zahlreichen, zum Teil massiven Beschwerden gegen die Sendeanlage aus der Nachbarschaft unter Geltendmachung gesundheitlicher Beeinträchtigungen gekommen war, legte die Antragstellerin auf Aufforderung der Antragsgegnerin eine vom 22.6.2005 datierende so genannte Standortbescheinigung der damaligen Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP, heute: Bundesnetzagentur) vor. Eine von Mitarbeitern der Bundesnetzagentur im Rahmen eines EMVU-Prüfauftrags am 7.10.2005 im Beisein von Vertretern der Antragsgegnerin (Bauaufsicht) durchgeführte messtechnische Überprüfung des Sendestandortes ergab keine Mängel, insbesondere die Einhaltung gebotener Abstände und der Grenzwerte nach der 26. BImSchV über elektromagnetische Felder.
Am 9.2.2006 suchte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin um die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 31 Abs. 1 BauGB für die in beigefügten Planunterlagen konkretisierte Sendestation nach. Anschließende Verhandlungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Lösung durch Änderung der Anlage oder Verlegung ihres Standortes blieben erfolglos.
Mit Datum vom 16.3.2006 wies die Bundesnetzagentur einen von Anwohnern geg...