BauGB-Novelle: Die wichtigsten Neuerungen im Überblick
Das Bundeskabinett hat am 4.9.2024 den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der integrierten Stadtentwicklung (Baugesetzbuchnovelle) beschlossen. Im Vorfeld wurden noch Änderungen aufgenommen: Speziell geht es um § 246e BauGB, bekannt auch als Bauturbo-Paragraf. Mit den neuen Regelungen soll unter anderem dem Wohnungsbau ein Schub verpasst werden.
Der Referentenentwurf aus dem Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) wurde am 30.7.2024 in die Anhörung gegeben. Länder und Verbände hatten bis zum 16. August Zeit für eine Stellungnahme – die Immobilienbranche kämpfte für die Aufnahme von § 246e BauGB in den Gesetzentwurf.
Das Gesetzgebungsverfahren soll im Bundestag bis Ende 2024 abgeschlossen sein, wie das BMWSB mitteilte. Das Gesetz ist im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig.
Referentenentwurf: Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der integrierten Stadtentwicklung (3.9.2024)
BauGB-Novelle: Die wichtigsten geplanten Neuerungen
Bauturbo
Die Sonderregelung § 246e BauGB soll den Wohnungsbau in angespannten Wohnungsmärkten vereinfachen und beschleunigen, indem ein gesonderter Bebauungsplan nicht vorgelegt werden muss. Den Vorhaben muss jede Kommune, in der darüber diskutiert wird, zustimmen. Der Bauturbo wird noch einmal im Rahmen der BauGB-Novelle eingebracht. Neu ist, dass die jetzige Regelung eine längere Befristung bis 2027 vorsieht.
Aufstockungen
Künftig sollen Erweiterungen von Gebäuden überall und nicht mehr nur in angespannten Wohnungsmärkten möglich sein, insbesondere Aufstockungen, auch quartiersweise oder stadtweit, ohne dass ein Bebauungsplan geändert werden muss (§ 31 Absatz 3 BauGB). Bisher gibt es diese Möglichkeit nur im Einzelfall.
Innenentwicklung
Es soll leichter verdichtet gebaut werden können, in zweiter Reihe auf dem Grundstück oder auf Höfen. Bisher scheiterte das daran, dass eine solche verdichtete Bebauung häufig nicht dem bisherigen Charakter des Quartiers entspricht.
Sozialer Flächenbeitrag
Bei der sogenannten Baulandumlegung soll ein sozialer Flächenbeitrag eingeführt werden (§ 58a BauGB). Das heißt konkret: Ergibt sich in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt im Ergebnis einer Baulandumlegung ein Anspruch der Gemeinde gegen die Eigentümer auf Wertausgleich in Geld, soll sie statt des Geldes eine Fläche verlangen können, muss sich aber dazu verpflichten, auf dieser Fläche sozialen Wohnungsbau zu errichten.
Kommunalen Vorkaufsrechte
Kommunale Vorkaufsrechte nach BauGB können zukünftig ausgeübt werden, wenn alle Eigentumswohnungen auf einem Grundstück in einem gemeinsamen Kaufvertrag verkauft werden sollen.
Umwandlungsschutz (§ 250 BauGB)
Das Instrument des Umwandlungsschutzes nach § 250 BauGB wird bis Ende 2027 verlängert. Damit können die Länder in besonders ausgewiesenen Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt einen Genehmigungsvorbehalt für die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen einführen.
Bauleitplanung: Fristen
Künftig sollen die Gemeinden Bebauungsplänen im Regelfall innerhalb von zwölf Monaten nach Ende der Beteiligungsverfahren veröffentlichen.
Umweltprüfung und Umweltbericht
Der Umfang des Umweltberichts soll auf einen angemessenen Umfang im Verhältnis zur Begründung des Bebauungsplans beschränkt werden. Die Prüftiefe soll konzentriert werden auf Belange, die tatsächlich auf der abstrakten Planebene (ohne konkretes Vorhaben) bewertbar sind.
Innovationsklausel
Veraltete Bebauungspläne sollen schneller aktualisiert werden können (Innovationsklausel). Grundsätzlich findet auf einen Bebauungsplan die Baunutzungsverordnung (BauNVO) in der Fassung Anwendung, die zum Zeitpunkt der Planaufstellung galt. Verbesserungen in der BauNVO wirken daher immer nur für die Zukunft, es sei denn, die Gemeinde ändert den Plan förmlich. Für diese Änderung eines Bestandsplans auf die jeweils aktuelle BauNVO dient künftig auch das vereinfachte Verfahren nach § 13 BauGB, in dem auf eine Umweltprüfung verzichtet und Beteiligungsverfahren gestrafft werden können.
Digitalisierung
Die Bekanntmachungen, zum Beispiel zu Flächennutzungs- und Bebauungsplänen, werden künftig digital veröffentlicht. Die Teilhabemöglichkeit von Menschen ohne Internetzugang wird weiterhin sichergestellt.
Klimaanpassung
Kommunen sollen bei Erteilung des Baurechts zum Beispiel die Schaffung von dezentralen Versickerungsanlagen auf einem Grundstück anordnen können oder auch die Anlage eines Gründachs. Das soll auch für den unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) gelten.
Pflanz- und Maßnahmengebot: Begrünung
Bauherren müssen künftig innerhalb einer bestimmten Frist zuständigen Behörden mitteilen, dass sie Ausgleichsmaßnahmen wie das Pflanzen von Bäumen oder die Begrünung von Dächern umgesetzt haben (§ 135a BauGB).
Der Streit um den Bauturbo § 246e BauGB
Eigentlich sollte die BauGB-Novelle schon 2023 vom Tisch sein, aber die Beratungen der Bundesregierung waren ins Stocken geraten. Grund war der Streit um den neuen § 246e BauGB. Der sah bisher vor, dass in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt, die nach § 201a BauGB bestimmt sind, andere Vorschriften vorübergehend bis zum 31.12.2026 ausgesetzt werden.
Gegenstand der Abweichung sollten sein:
- die Errichtung eines Wohnzwecken dienenden Gebäudes mit mindestens sechs Wohnungen,
- die Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes, wenn hierdurch neue Wohnungen geschaffen werden oder vorhandener Wohnraum wieder nutzbar wird, oder
- die Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung.
Das ging aus einem Entwurf für eine Formulierungshilfe zum "Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer befristeten Sonderregelung für den Wohnungsbau in das Baugesetzbuch" hervor, den das BMWSB am 14.11.2023 veröffentlicht hatte. Der Sonderparagraf fand sich im Referentenentwurf dann nicht wieder.
Reform des Baugesetzbuchs: Das wurde bereits beschlossen
Hintergrund war, dass der Wiederaufbau in Katastrophengebieten künftig schneller und unkomplizierter möglich sein und der Bau von Unterkünften für Geflüchtete vereinfacht werden soll.
Sonderregel § 246c BauGB: Wiederaufbau nach Katastrophen
Um Katastrophen wie die Flut 2021 in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz besser zu bewältigen, erlaubt eine Wiederaufbauklausel Abweichungen vom Bauplanungsrecht. Die zunächst bis Ende 2022 befristet im BauGB eingeführte Sonderregel (§ 246c) soll dauerhaft verankert werden, damit Gebäude, Straßen und andere Infrastruktur in kürzester Zeit wiederaufgebaut werden können.
Die Wiederaufbauklausel sieht unter anderem vor, dass
- die Landesregierungen die Möglichkeit erhalten, für die betroffenen Regionen bauplanungsrechtliche Sonderregelungen zur Katastrophenbewältigung zu aktivieren.
- schnell und unkompliziert dringend benötigte Gebäude befristet auf fünf Jahre errichtet oder umgenutzt werden können, um die Versorgung der Bevölkerung etwa durch neue Supermärkte sowie die erforderliche Infrastruktur wiederherzustellen.
- es ermöglicht werden soll, Gebäude örtlich versetzt wiederaufzubauen, damit künftig Schäden vermieden werden können.
- die Verlagerung von Siedlungen an weniger gefährdete Standorte erleichtert wird, indem neue Versiegelungen durch Entsiegelungen gleichen Umfangs in dem von der Hochwasserkatastrophe betroffenen Siedlungsgebiet ausgeglichen werden.
Wohnraum für Geflüchtete: Sonderregelung verlängert
Außerdem wurden die Sonderregelungen in § 246 BauGB (Absätze 8 bis 17) für den erleichterten Bau von Unterkünften zur Unterbringung von Geflüchteten und Asylbegehrenden bis zum 31.12.2027 verlängert. Die Gemeinden sollen entlastet werden, indem sie ohne Bauleitplanung bauen können. Außerdem soll die Fristverlängerung Planungssicherheit bieten.
Große BauGB-Novelle: Das sagt die Immobilienbranche
Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW, begrüßte geplante Aufnahme des § 246e BauGB in den Gesetzentwurf: "Ein nochmaliges Scheitern im parlamentarischen Verfahren wäre nicht endschuldbar." Den notwendigen, deutlichen Ruck für den Wohnungsbau sieht der GdW im Gesetzentwurf nicht. Die im Entwurf vorgesehenen Vereinfachungen und Beschleunigungen müssten allgemein anwendbar werden.
Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) freute sich auch, "dass auf der Zielgeraden der Vorbereitung für die heutige Kabinettsentscheidung noch einmal nachgelegt" und durch Änderungen im § 246 BauGB neue Möglichkeiten eröffnet werden sollen. "Die Bauministerin hat hier gekämpft, und es hat sich gelohnt", freute sich Schöberl. "Der letzte Mut hat allerdings am Ende gefehlt." Der Verband habe sich gewünscht, dass die Extrafreiräume, die für den Bau von Flüchtlingsunterkünften geschaffen wurden, auf den Wohnungsbau ausgeweitet werden.
Aufstockungen und Anbauten vom Umwandlungsverbot auszunehmen war unter anderem ein Vorschlag des Immobilienverbands Deutschland IVD. "Insgesamt ist es aber eine echte Fehlentscheidung, am Umwandlungsverbot in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten festzuhalten", sagte Bundesgeschäftsführerin Carolin Hegenbarth. "Die Regelung bleibt eine echte Eigentumsverhinderungsregelung, mit dem der Zweck des Wohnungseigentumsgesetzes konterkariert wird."
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