Entscheidungsstichwort (Thema)
Qualifikationsrichtlinie. Yezidischer Religionsritus
Leitsatz (amtlich)
Da die yezidische Religion nicht vor den Augen Ungläubiger ausgeübt werden darf, kommt es bei genereller Betrachtung nicht zu einem schwerwiegenden religiösen Konflikt im Sinne der Öffentlichkeitserweiterung der Qualifikationsrichtlinie.
Normenkette
AufenthG § 60 Abs. 1 S. 4c; Qualifikationsrichtlinie 2004/83/EG vom 29.4.2004 Art. 10 Abs. 1b; Qualifikationsrichtlinie 2004/83/EG vom 29.4.2004 Art. 9 Abs. 1
Verfahrensgang
VG des Saarlandes (Urteil vom 11.01.2007; Aktenzeichen 2 K 234/06.A) |
Tenor
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 11.1.2007 – 2 K 234/06.A – wird zurückgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Gründe
Dem Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 11. Januar 2007 – 2 K 234/06.A –, mit dem das Verwaltungsgericht der Klägerin Abschiebungsschutz versagt hat, kann nicht entsprochen werden.
Die Klägerin, die der yezidischen Religionsgruppe angehört und ihren Glauben nach der Anhörung durch das Verwaltungsgericht durch Fasten und Beten zuhause praktiziert, stützt ihren Zulassungsantrag auf die von ihr vorgetragene grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG).
Als erste Grundsatzfrage stellt die Klägerin zur Entscheidung des Senats,
ob irakischen Staatsangehörigen yezidischer Religionszugehörigkeit im Irak Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure im Sinn von § 60 Abs. 1 Satz 4 c AufenthG in Form von Gruppenverfolgung droht.
Die aufgeworfene Frage bedarf keiner Klärung in einem Berufungsverfahren; sie lässt sich anhand der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung zur religiösen Gruppenverfolgung im Irak und der im Wesentlichen übereinstimmenden Auskunftslage mit Blick auf die Zahl der Yeziden und die Zahl der Verfolgungsschläge im Erkenntnismaterial ohne Weiteres beantworten.
Rechtlich zugrunde zu legen ist die Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts in dem aktuellen Urteil vom 18.7.2006 – 1 C 15/05 – zur Frage der Christenverfolgung im Irak. Danach ist mit allgemeiner Geltung die Frage der religiösen Gruppenverfolgung durch Private nach den gleichen Anforderungen zu prüfen, die bereits für die staatliche Gruppenverfolgung gelten. Die Nachstellungen nichtstaatlicher Akteure müssen zusammen, um eine private Gruppenverfolgung mit der Regelvermutung individueller Betroffenheit annehmen zu können, das Erfordernis der Verfolgungsdichte erfüllen. Anzahl und Intensität der Verfolgungsmaßnahmen müssen festgestellt werden und zu der Größe der Gruppe in Beziehung gesetzt werden. Auf den Maßstab der Verfolgungsdichte kann nicht verzichtet werden; insbesondere nicht durch Feststellung einer vorgetragenen „Antistimmung”. In einem neueren Beschluss vom 5.1.2007 – 1 B 59/06 – betrachtet das Bundesverwaltungsgericht die Maßstäbe der Gruppenverfolgung, insbesondere das Erfordernis der Verfolgungsdichte als durch die höchstrichterliche Rechtsprechung grundsätzlich geklärt. Dem schließt sich auch der Senat an, und nach diesen Maßstäben ist die Frage der Gruppenverfolgung der Yezidinnen und Yeziden zu behandeln.
Auszugehen ist davon, dass die yezidische Religion eine monotheistische Religion ist, deren Entstehungsgeschichte vermutlich etwa 4.000 Jahre zurückreicht.
UNHCR, Gutachten vom 9.1.2007 für das VG Köln.
Die Religion weist gegenüber Christentum und Islam einige Besonderheiten auf, die auch asylrechtlich von Bedeutung sind. Eine Konversion zum Yezidentum ist nicht möglich, der Religion ist das Element der Missionierung fremd.
Gutachten von amnesty international an VG Köln vom 16.8.2005, Seite 2.
Die religiösen Rituale der Yeziden dürfen nicht vor den Augen Ungläubiger praktiziert werden, so dass die yezidische Religion auch bereits als Geheimorganisation bezeichnet worden ist.
amnesty international, Gutachten vom 16.8.2005, Seite 2.
Für fundamentalistische oder streng gläubige Moslems werden die Yeziden als Ungläubige oder Teufelsanbeter angesehen.
amnesty international, Gutachten vom 16.8.2005, Seite 2.
Unter dem Regime von Saddam Hussein war die Lage der Yeziden ungünstig: Einerseits wurden sie wegen ihrer kurdischen Volkszugehörigkeit von der arabischen Bevölkerung diskriminiert, andererseits kam es immer wieder zu Übergriffen wegen ihrer Religionszugehörigkeit.
Schweizerische Flüchtlingshilfe, Auskunft vom 16.1.2006.
Es kam zu Zwangsarabisierung und Zwangsumsiedlungen von Yeziden
amnesty international, Gutachten vom 16.8.2005.
Seit dem Sturz der Regierung von Saddam Hussein sind keine staatlichen Zwangsmaßnahmen gegen Yeziden zur Vertreibung, Enteignung und Arabisierung mehr zu befürchten.
amnesty international, Gutachten vom 16.8.2005.
Insgesamt hat sich die Situation der Yeziden nach dem Sturz des Regimes aber auch nicht wesentlich verbessert.
UNHCR, Hintergrundinformation zur Gefährdung von An...