Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag. Widmungsfiktion. Geschäft der laufenden Verwaltung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag stellt eine auf die endgültige Beitragspflicht ausgerichtete, dem Erschließungsbeitrag ausgehende Leistung dar; daher verbietet sich die Anforderung einer Vorausleistung, wenn der endgültige Beitragsanspruch – beispielsweise durch Ablauf der Festsetzungsverjährungsfrist – erloschen ist.
2. Das Entstehen der Erschließungsbeitragspficht für die Herstellung einer Anbaustraße setzt u.a. voraus, dass die Straße dem öffentlichen Verkehr gewidmet ist.
3. Durch die Ausweisung öffentlicher Verkehrsflächen in einem Bebauungsplan wird der Bau dieser Straßen im Verständnis des § 6 VI S. 1 SStrG nicht unanfechtbar angeordnet; deshalb kann insoweit die Eigenschaft der öffentlichen Straße nur durch Widmung begründet werden.
4. Der öffentlichen Bekanntmachung der Verkehrsübergabe nach § 6 VI S. 2 SStrG kommt konstitutive Bedeutung für das Wirksamwerden der Widmungsfiktion zu.
5. Die Entscheidung, Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag zu verlangen, gehört in aller Regel zu den Geschäften der laufenden Verwaltung, die der Bürgermeister zu erledigen hat; eines Beschlusses des Gemeinderats bedarf es dann nicht.
6. Eine Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag darf in aller Regel auch dann verlangt werden, wenn die endgültige Beitragspflicht allein deswegen noch nicht entstanden ist, weil die Widmung der Straße aussteht.
Normenkette
SStrG § 6 VI S. 1., S. 2
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.813,11 Euro festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 4.7.2005 – 11 F 7/05 – bleibt ohne Erfolg.
Durch die angefochtene Entscheidung wurde das Begehren der Antragsteller zurückgewiesen, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid vom 7.10.2004 anzuordnen, mit dem der Antragsgegner von den Antragstellern als den Eigentümern des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Gemarkung A., Flur, Parzelle Nr. (A-Straße), eine Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag für die Herstellung der F-straße in Höhe von 15.252,45 Euro verlangt hat. Die von den Antragstellern in der Beschwerdebegründung vom 8.8.2005 dargelegten Gründe, die allein der Senat zu prüfen hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben keine Veranlassung, die erstinstanzliche Entscheidung abzuändern. Entgegen der Ansicht der Antragsteller ergeben sich nämlich daraus im Verständnis des § 80 Abs. 4 Satz 3 – 1. Alternative – VwGO keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihrer Heranziehung.
a) Die Antragsteller wiederholen in ihrer Beschwerdebegründung die Auffassung, der Antragsgegner habe für die Herstellung der F-straße am 7.10.2004 keine Vorausleistung mehr erheben dürfen, weil zu diesem Zeitpunkt der Beitragsanspruch bereits durch Verjährung untergegangen gewesen sei. Das greift nicht durch.
Richtig ist, dass die Vorausleistung nach § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB eine auf die endgültige Beitragspflicht ausgerichtete, dem Erschließungsbeitrag zeitlich vorausgehende Leistung darstellt
ebenso Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Auflage, § 21 Rdnr. 30.
Deshalb bestimmt das Gesetz ausdrücklich, dass eine Vorausleistung für ein Grundstück nur verlangt werden kann, für das eine Beitragspflicht noch nicht oder nicht in vollem Umfang entstanden ist. Erst recht verbietet sich daher die Anforderung einer Vorausleistung, wenn der endgültige Beitragsanspruch – beispielsweise durch Ablauf der Festsetzungsverjährungsfrist – schon erloschen ist. Davon, dass der Fall so läge, kann indes vorliegend keine Rede sein. Vielmehr ist mit Blick auf die F-straße die Beitragspflicht noch nicht entstanden.
Bereits das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Erschließungsbeitragspflicht für die Herstellung einer öffentlichen zum Anbau bestimmten Straße – (§ 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB) – hier: der F-straße – mit Blick auf das Tatbestandsmerkmal „öffentlich” erst entstehen kann, wenn die Anlage im straßenrechtlichen Sinne (§ 2 Abs. 1 SStrG) gemeingebräuchlich ist
allgemeine Meinung; vgl. u. a. BVerwG, Urteil vom 13.12.1985 – 8 C 66.84 –, KStZ 1986, 91, und Driehaus, a.a.O., § 12 Rdnr. 22.
Dazu bedarf es regelmäßig der formalisierten Widmung (§ 6 Abs. 1 SStrG). Eine solche Widmung ist unstreitig bezüglich der F-straße bisher nicht erfolgt.
Die Antragsteller meinen, vorliegend greife die Widmungsfiktion des § 6 Abs. 6 SStrG ein, weil die F-straße im gleichnamigen Bebauungsplan aus dem Jahre 1998 dargestellt, technisch vollständig hergestellt und seit Jahren dem Verkehr übergeben sei. Dem kann nicht gefolgt werden.
Nach § 6 Abs. 6 Satz 1 SStrG gilt eine Straße mit der Verkehrsübergabe als gewidmet, wenn im Rahmen eines auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften durchgeführten förmlichen Ve...