Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung einer Bürgermeisterwahl wegen unzulässiger Melderegisterauskünfte

 

Leitsatz (amtlich)

1. Soweit § 61 KWO SL auf § 47 Abs. 1 KWG SL verweist, handelt es sich um ein redaktionelles Versehen des Verordnungsgebers, der unberücksichtigt gelassen hat, dass § 47 Abs. 1 KWG SL in seiner bis zum 16.10.2003 geltenden Fassung, auf den sich § 61 KWO SL zuvor bezogen hat, durch Einfügen eines neuen Absatzes 1 in § 47 KWG mit Wirkung vom 17.10.2003 zu § 47 Abs. 2 KWG SL geworden ist.

2. Die Bestimmungen des § 35 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1 MG SL, die es nach näherer Maßgabe ermöglichen, Parteien, Wählergruppen und anderen Trägern von Wahlvorschlägen Auskünfte aus dem Melderegister über Gruppen von Wahlberechtigten zu erteilen, sind keine wesentlichen Wahlvorschriften im Sinne von § 47 Abs. 2 KWG SL.

3. Werden einer Partei aus Anlass einer Bürgermeisterwahl Gruppenauskünfte aus dem Melderegister erteilt, obwohl die Meldebehörde es versäumt hat, gemäß § 35 As. 4 Nr. 1 MG SL durch öffentliche Bekanntmachung auf das Widerspruchsrecht der Einwohnerinnen und Einwohner gegen diese Auskunftserteilung hinzuweisen, so liegt hierin jedenfalls dann kein Verstoß gegen das vom Grundsatz der Gleichheit der Wahl mit umfasste Gebot der Chancengleichheit, wenn der einzige Gegenkandidat beziehungsweise die ihn unterstützende Partei aus anderen Erwägungen von vornherein darauf verzichtet hat, sich ebenfalls solche Auskünfte erteilen zu lassen.

4. Ein erheblicher Verstoß gegen das vom Grundsatz der Gleichheit der Wahl mit umfasste Gebot der Chancengleichheit kann prinzipiell auch darin bestehen, dass einer Partei oder einem Kandidaten einseitig Auskünfte aus dem Melderegister in einem Umfang erteilt werden, der über das nach § 35 Abs. 1 Satz 1 MG SL Zulässige eindeutig hinausgeht (im entschiedenen Fall verneint).

 

Normenkette

KWO SL § 61; KWG S. § 47 Abs. 1; KWG SL § 47 Abs. 2; MG SL § 35 Abs. 1, 4 Nr. 1

 

Verfahrensgang

VG des Saarlandes (Urteil vom 01.12.2006; Aktenzeichen 11 K 271/05)

 

Tenor

Unter Abänderung des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 1. Dezember 2006 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes – 11 K 271/05 – wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1.; außergerichtliche Kosten der Beigeladenen zu 2. und des Beigeladenen zu 3. werden nicht erstattet.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Verpflichtung des Beklagten, die am 10.4.2005 erfolgte Wahl der Beigeladenen zu 2. zur Bürgermeisterin der Beigeladenen zu 1. für ungültig zu erklären.

Bei dieser Wahl wurden ausweislich der Bekanntmachung über das Wahlergebnis (Amtliches Bekanntmachungsblatt der Beigeladenen zu 1. vom 15.4.2005) insgesamt 11.129 gültige Stimmen abgegeben. Hiervon entfielen auf die Beigeladene zu 2. insgesamt 5.766 Stimmen (51,81 %) und auf ihren einzigen Gegenkandidaten und seinerzeit amtierenden Bürgermeister der Beigeladenen zu 1., den Beigeladenen zu 3., insgesamt 5.363 Stimmen (48,19 %).

Am 27.4.2005 wandte sich der Kläger an den Funktionsvorgänger des Beklagten und erklärte, er fechte die Bürgermeisterwahl an, weil bei ihrer Vorbereitung die Wettbewerbsgleichheit verletzt worden sei. Der CDU A-Stadt hätten umfassende Daten aus Melderegisterauskünften zur Verfügung gestanden, die nicht den Vorgaben des § 35 MG SL entsprochen hätten. Die CDU A-Stadt habe diese Daten auch intensiv genutzt, indem sie an mindestens fünf verschiedene Adressatenkreise Serienbriefe mit unterschiedlichen Inhalten versandt habe. Die Abgrenzung der Adressatenkreise sei dabei nicht nur nach Lebensalter, sondern auch nach Geschlecht sowie nach Staatsangehörigkeit erfolgt. Nach seiner Einschätzung seien bis auf wenige Einzelfälle alle 18.000 in Betracht kommenden Haushalte in A-Stadt angeschrieben worden. Außerdem sei versäumt worden, die Wahlberechtigten auf ihr Recht hinzuweisen, der Auskunftserteilung zu widersprechen. Dem Beigeladenen zu 3. hätten diese Daten nicht zur Verfügung gestanden. Darin liege eine wahlentscheidende Verletzung der Wettbewerbsgleichheit.

Der Funktionsvorgänger des Beklagten stellte auf diese und die im Wesentlichen inhaltsgleiche Wahlanfechtung des Beigeladenen zu 3. hin Ermittlungen zur Klärung der Frage an, in welchem Umfang der CDU A-Stadt zur Vorbereitung der Bürgermeisterwahl Melderegisterdaten zur Verfügung gestellt worden waren. An der in diesem Zusammenhang durchgeführten Befragung von Bediensteten des Bürgerbüros der Beigeladenen zu 1. beteiligte sich auch der Beigeladene zu 3. als seinerzeit amtierender Bürgermeister. Der Landesbeauftragte für den Datenschutz bemühte sich ebenfalls um Klärung der Frage, in welchem Umfang und auf welche Weise Parteien Daten aus dem Melderegister zur Vorbereitung der Bürgermeisterwahl zur Verfügung gestellt worden waren. Er beanstandete mit Schreiben vom 5.8.2005, dass die Herausgabe der Me...

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