Leitsatz (amtlich)
1. Eine Mobilfunksendeanlage, die auf dem Dach eines Gebäudes angebracht ist, und deren Sendemast ca. 8 m über der Dachhaut aufragt, ist baugenehmigungspflichtig und ein Vorhaben im Sinne von § 29 Abs. 1 BauGB, dessen bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach den §§ 30 bis 37 BauGB zu beurteilen ist.
2. Sie ist in einem allgemeinen Wohngebiet nicht allgemein zulässig und im Regelfall keine Nebenanlage im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO. Offen bleibt, ob es sich um eine fernmeldetechnische Nebenanlage im Sinne von § 14 Abs. 2 BauNVO und um einen störenden Gewerbebetrieb im Sinne von § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO handelt, die nach § 31 Abs. 1 BauGB ausnahmsweise zulässig sind. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Mobilfunksendeanlagen zu einer wahrnehmbar gewerblichen Überformung eines allgemeinen Wohngebiets führen und deshalb als gebietsfremd und den Gebietscharakter störend empfunden werden können.
3. Zur Folgenabwägung nach §§ 80 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO im Einzelfall.
Normenkette
BauGB § 29 Abs. 1, § 31 Abs. 1-2, § 34 Abs. 2; BauNVO § 4 Abs. 2, 3 Nr. 2, § 14 Abs. 1-2, § 15
Verfahrensgang
VG Düsseldorf (Aktenzeichen 4 L 3022/02) |
Tenor
Der Antragsteller ist Eigentümer eines mit einem mehrgeschossigen Haus bebauten Grundstücks. Mit Baugenehmigung vom 19.7.2002 genehmigte der Antragsgegner die Errichtung von zwei ca. 8 m über der Dachhaut aufragenden Mobilfunksendeanlagen auf dem Dach des westlich angrenzenden mehrgeschossigen Nachbargebäudes. Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines gegen diese Baugenehmigung erhobenen Widerspruchs wurde vom VG abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde hatte zum Teil Erfolg.
Gründe
Unter Zugrundelegung der vom Antragsteller mit der Beschwerde dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, ist der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes unzulässig, soweit er sich auf die von der Baugenehmigung umfasste südliche Mobilfunksendeanlage bezieht. (wird ausgeführt)
Im Übrigen ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers zulässig. Insbesondere fehlt nicht deshalb das Rechtsschutzinteresse für den Aussetzungsantrag, weil die nördliche Mobilfunksendeanlage schon errichtet worden ist. Denn ungeachtet der Frage nach etwaigen mit deren Nutzung verbundenen Beeinträchtigungen kann die Aussetzungsentscheidung auch Grundlage einer – bislang nicht beantragten – weiteren Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO sein, mit der dem Antragsgegner u.U. aufgegeben werden könnte, die Beigeladene zum vorläufigen – vermutlich unschwer möglichen – Abbau des Antennenmastes zu verpflichten.
Der Aussetzungsantrag ist auch begründet. Bei der nach §§ 80 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das Interesse des Antragstellers, von dem Vollzug der Baugenehmigung vorerst verschont zu bleiben, das Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Ausnutzung der Baugenehmigung für die nördliche Mobilfunksendeanlage. Dies ergibt sich aus einer unabhängig von den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache vorzunehmenden Folgenabwägung. Auf diese Folgenabwägung kommt es an, weil die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache für das Ergebnis der Interessenabwägung nur dann maßgeblich sind, wenn sie nach der hier allein gebotenen summarischen Prüfung zumindest mit hinreichender Wahrscheinlichkeit beurteilt werden können. Daran fehlt es hier, weil offen ist, ob dem Antragsteller ein nachbarliches Abwehrrecht gegen die Baugenehmigung zusteht.
Abzustellen ist dabei auf die Baugenehmigung des Antragsgegners vom 19.7.2002 für die Errichtung von zwei Mobilfunksendeanlagen auf dem Hausgrundstück, das östlich unmittelbar an das Hausgrundstück des Antragstellers angrenzt. Inhaltlich zu überprüfen ist diese Baugenehmigung nach den obigen Ausführungen allerdings nur hinsichtlich der nördlichen Mobilfunksendeanlage. Insoweit bezieht sich die Baugenehmigung nicht nur auf den Betriebsraum und den Stahlrohrmast als Antennenträger, sondern sie schließt die an diesem Stahlrohrmast anzubringenden Sendeantennen ein, die in der zu den Bauvorlagen gehörenden Standortbescheinigung der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post vom 17.9.2001 sowie in der Südwestansicht der Anlage näher bezeichnet sind.
Ob der Antragsteller sich gegen diese Baugenehmigung mit Erfolg zur Wehr setzen kann, hängt im vorliegenden Fall letztlich davon ab, ob die Baugenehmigung in bauplanungsrechtlicher Hinsicht Nachbarrechte des Antragstellers gemäß § 34 Abs. 2 BauGB verletzt.
Dass das Vorhaben an den Vorschriften der §§ 30 bis 37 BauGB zu messen ist, folgt aus § 29 Abs. 1 BauGB, nach dem diese Bestimmungen für Vorhaben gelten, die unter anderem die Errichtung von baulichen Anlagen zum Inhalt haben. Der bundesrechtliche Begriff der baulichen Anlage setzt neben dem hier ohne weiteres zu bejahenden verhältnismäßig weiten Begriff des B...