Verfahrensgang

VG Minden (Aktenzeichen 4 L 1110/03)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.

Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die beiden dem Polizeipräsidium C. zum 2003 zugewiesenen Stellen der Besoldungsgruppe A 12 BBesO mit einem der Beigeladenen zu besetzen, bis über die Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden ist.

Der Antragsgegner und der Beigeladene zu 3. tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen je zur Hälfte mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. und 2., die diese selbst tragen.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerde-verfahren auf 2.000,– Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Der Antragsteller hat mit seiner Beschwerde Gründe dargelegt, die es gebieten, den angefochtenen Beschluss zu ändern und dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes stattzugeben. Er hat einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund für das beantragte Eingreifen des Gerichts glaubhaft gemacht. Der Antragsgegner hat bei der Entscheidung über die Besetzung der Beförderungsplanstellen sein Auswahlermessen fehlerhaft ausgeübt.

Der Antragsteller erstrebt die vorläufige Nichtbesetzung von zwei im Bereich des Polizeipräsidiums C. zu besetzenden Beförderungsplanstellen der Besoldungsgruppe A 12. Die Planstellen sollen mit den Beigeladenen zu 2. und 3. besetzt werden. Nach der von dem Polizeipräsidium C. unter Berücksichtigung des Gesamturteils der letzten sowie der vorletzten Regelbeurteilung aus dem Jahr 19 getroffenen Auswahlentscheidung kommen der Antragsteller und der Beigeladene zu 1. für eine Beförderung nicht in Betracht.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der Antragsgegner sei berechtigt und verpflichtet gewesen, die Beigeladenen zu 2. und 3. bei der Auswahlentscheidung vorzuziehen, weil diese bei der vorletzten Regelbeurteilung besser beurteilt worden seien.

Angesichts der Beurteilungsrichtlinien im Bereich der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen (vgl. Runderlass des Innenministeriums vom 25. Januar 1996, MBl. NRW S. 278, geändert durch Runderlass vom 19. Januar 1999, MBl. NRW S. 96 – BRL Pol –) sei es geboten, ältere Beurteilungen bei Auswahlentscheidungen ergänzend heranzuziehen.

Mit seiner Beschwerde wendet der Antragsteller zu Recht ein, dass die Auswahlentscheidung fehlerhaft ist, weil der Antragsgegner es dabei hat bewenden lassen, hinsichtlich der aktuellen Regelbeurteilungen aus dem Jahr 2 allein deren (gleichlautende) Gesamturteile in den Blick zu nehmen. Dies wird den an einen sachgerechten Qualifikationsvergleich zu stellenden Anforderungen nicht gerecht. Der Antragsgegner hätte eine weitergehende inhaltliche Auswertung in Betracht ziehen müssen. Dabei hätte u.a. berücksichtigt werden können, dass der Beigeladene zu 2. bei dem Hauptmerkmal „Mitarbeiterführung” um eine Notenstufe schlechter beurteilt worden ist als der Antragsteller.

Dies ergibt sich allerdings entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers nicht aus einer vermeintlichen Pflicht zu einer so genannten „Binnendifferenzierung”. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats bezieht sich dieser Begriff allein auf verbale Zusätze mit dem Ziel einer abgestuften Bewertung innerhalb des Gesamturteils einer dienstlichen Beurteilung.

Vgl. Beschlüsse vom 19. Dezember 2001 – 6 B 1408/01 –, vom 7. März 1997 – 6 B 215/97 – und vom 27. September 1996 – 6 B 2009/96 –.

Darum geht es dem Antragsteller jedoch nicht. Vielmehr ist sein Einwand der Sache nach so zu verstehen, dass er eine über eine „Binnendifferenzierung” hinausgehende Auswertung der dienstlichen Beurteilungen fordert, die in anderem Zusammenhang als „qualitative Ausschärfung” bezeichnet worden ist.

Vgl. Beschluss des Senats vom 27. September 1996 – 6 B 2009/96 –.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats ist der Dienstherr berechtigt, den weiteren Inhalt dienstlicher Beurteilungen (außerhalb der textlichen Bestandteile des Gesamturteils) daraufhin zu würdigen, ob Anhaltspunkte für einen Qualifikationsvorsprung eines der Bewerber bestehen.

Vgl. Beschlüsse des Senats vom 27. September 1996 – 6 B 2009/96 – und vom 7. März 1997 – 6 B 215/97 –.

Mit Rücksicht auf die jüngere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – vgl. Urteile vom 21. August 2003 – 2 C 14.02 –, juris Rechtsprechung Nr. WBRE410010345, vom 27. Februar 2003 – 2 C 16.02 –, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2003, 1397 (1398), juris Rechtsprechung Nr. WBRE410009770, und vom 19. Dezember 2002 – 2 C 31.01 –, NVwZ 2003, 1398 f., juris Rechtsprechung Nr. WBRE410009612 – bedarf dieser Ausgangspunkt der Fortentwicklung: Der Senat geht künftig davon aus, dass der Dienstherr zu einer inhaltlichen Ausschöpfung dienstlicher Beurteilungen nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet ist, eine solche zumindest ernsthaft in Betracht zu ziehen.

Das Bundes...

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