Problemüberblick

Wird ein fristgebundener Rechtsmittelschriftsatz irrtümlich beim falschen Gericht eingereicht und kann dieses seine Unzuständigkeit "ohne Weiteres" bzw. "leicht und einwandfrei" erkennen, ist der fehlgeleitete Schriftsatz im Rahmen des üblichen Geschäftsganges an das zuständige Gericht weiterzuleiten. Geschieht dies nicht, geht die nachfolgende Fristversäumnis nicht zulasten des Rechtsuchenden, wenn und soweit die Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang für eine Fristwahrung ausgereicht hätte. Eine der Kardinalfragen bei dieser Rechtsprechung ist neben den Fragen, wer wohl wann was erkennen kann, wie früh die Rechtsmittelschrift beim falschen Gericht eingehen muss, damit man auf eine Weiterleitung vertrauen darf.

"Ohne Weiteres" bzw. "leicht und einwandfrei"

Nach der Rechtsprechung ist die Unzuständigkeit "ohne Weiteres" bzw. "leicht und einwandfrei" zu erkennen und darf der Rechtsmittelführer auf eine Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang vertrauen, wenn er die Rechtsmittelschrift versehentlich an das Ausgangsgericht gerichtet und damit für die Geschäftsstelle offenkundig falsch adressiert hat.

Der V. Zivilsenat meint, im Fall liege es anders. Es sei möglich gewesen, dass der Berufungsführer es besser als das AG gewusst habe. Denn in Verfahren mit wohnungseigentumsrechtlichem Bezug sei regelmäßig gerade nicht "leicht und einwandfrei" zu erkennen, welches Gericht zuständig sei, weil die Zuständigkeitskonzentration nur dann eintrete, wenn es sich in der Sache um eine sog. Binnenstreitigkeit handele.

Prüfung der Zuständigkeit

Es ist nicht zu beanstanden, wenn die richterliche Prüfung der funktionellen Zuständigkeit nach Einlegung der Berufung unterbleibt, obwohl die Rechtsmittelbelehrung ein anderes Gericht benennt. Eine Zuständigkeitsprüfung zu diesem Zeitpunkt ist weder erforderlich noch sinnvoll, weil die Zuständigkeit erst nach Eingang der Akte, oft auch erst anhand der Rechtsmittelbegründung, abschließend beurteilt werden kann (BGH, Beschluss v. 12.11.2015, V ZB 36/15, Rn. 16; BGH, Beschluss v. 24.6.2010, V ZB 170/09, Rn. 9).

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