Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinreichende Erfolgsaussicht einer beabsichtigten Rechtsverfolgung im Sinne von § 114 ZPO
Leitsatz (amtlich)
Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung hat in aller Regel bereits dann hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.v. § 114 ZPO, wenn die Entscheidung von der Beantwortung schwieriger Rechts- oder Tatfragen abhängt. Die Prüfung der Erfolgsaussicht darf nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Verfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Verfahren der Prozesskostenhilfe bietet den nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geschützten Rechtsschutz nicht selbst, sondern will ihn erst zugänglich machen.
Normenkette
EGBGB Art. 17 Abs. 1 S. 2; ZPO § 114
Verfahrensgang
AG Merzig (Beschluss vom 12.01.2006; Aktenzeichen 20 F505/05 S) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des AG - FamG - in Merzig vom 12.1.2006 - 20 F 505/05 E3 - wird der Antragstellerin in Ergänzung des angefochtenen Beschlusses Prozesskostenhilfe zu den dort aufgeführten Bedingungen auch für den Antrag vom 2.8.2005 auf Scheidung der am 8.11.1985 geschlossenen Ehe bewilligt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die am Mai 1967 geborene Antragstellerin und der am Juni 1960 geborene Antragsgegner haben am 8.11.1985 die Ehe geschlossen, aus der zwei 1987 und 1989 geborene Kinder hervorgegangen sind. Während beide Parteien zum Zeitpunkt der Eheschließung italienische Staatsangehörige waren, besitzt die Antragstellerin seit März 2004 die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Parteien leben nach übereinstimmenden Angaben seit Februar 2002 getrennt.
Die Antragstellerin hat um Prozesskostenhilfe für einen am 3.8.2005 eingegangenen Antrag nachgesucht, mit dem sie unter Anwendung deutschen Sachrechts die Scheidung der am 8.11.1985 geschlossenen Ehe, hilfsweise gem. Art. 150 des italienischen Zivilgesetzbuches die Feststellung begehrt, dass die Parteien von Tisch und Bett getrennt leben.
Der Antragsgegner hat angekündigt dem Scheidungsbegehren zuzustimmen. Auch er hält die Anwendbarkeit deutschen Scheidungsrechts für angezeigt. Hilfsweise kündigt er den Antrag an, festzustellen, dass die Parteien von Tisch und Bett getrennt leben.
Das FamG hat der Antragstellerin lediglich Prozesskostenhilfe für den Hilfsantrag (Trennung von Tisch und Bett) bewilligt. In einer Verfügung vom gleichen Tag hat es ausgeführt, auch wenn die Ehefrau zwischenzeitlich die deutsche Staatsangehörigkeit erworben habe, sei bei Anwendbarkeit des italienischen Rechts Art. 17 Abs. 1 S. 2 EGBGB nicht einschlägig. Zunächst sei die Trennung von Tisch und Bett auszusprechen.
Der hiergegen eingelegten "Beschwerde" hat das FamG unter Hinweis darauf, dass nach italienischem Recht nach Trennung von Tisch und Bett und Ablauf der 3-jährigen Trennungszeit, die Scheidung grundsätzlich möglich sei, nicht abgeholfen.
II. Das als sofortige Beschwerde zu behandelnde Rechtsmittel der Antragstellerin ist nach Maßgabe von § 127 Abs. 2 ZPO zulässig. Es richtet sich dagegen, dass ihr für den Hauptantrag auf Scheidung der Ehe die nachgesuchte Prozesskostenhilfe verweigert worden ist.
Zwar enthält die Entscheidungsformel des PKH-Beschlusses vom 12.1.2006 keinen diesbezüglichen Ausspruch. Aus dem Umstand, dass das FamG jedoch Prozesskostenhilfe (nur) für den Hilfsantrag bewilligt hat, folgt zugleich, dass dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Hauptantrag nicht stattgegeben worden ist. Bestätigt wird dies durch die mit dem PKH-Beschluss getroffene Verfügung vom 12.1.2006 und den Inhalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 16.2.2006.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet und führt zu der erstrebten Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den angekündigten Scheidungsantrag. Abweichend von der Auffassung des FamG ist die erfolgte Verweigerung der Prozesskostenhilfe vorliegend nicht gerechtfertigt.
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung hat eine beabsichtigte Rechtsverfolgung in aller Regel bereits dann hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.v. § 114 ZPO, wenn die Entscheidung von der Beantwortung schwieriger Rechts- oder Tatfragen abhängt.
Die Prüfung der Erfolgsaussicht darf nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Verfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Verfahren der Prozesskostenhilfe bietet den nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geschützten Rechtsschutz nicht selbst, sondern will ihn erst zugänglich machen (BVerfG v. 4.2.2004 - 1 BvR 596/03, FamRZ 2004, 1013; BGH v. 4.8.2004 - XII ZA 6/04, BGHReport 2005, 26 = MDR 2005, 94 = FamRZ 2004, 1633, mit Hinweis auf BVerfG v. 13.3.1990 - 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347 [357 ff.]; v. 14.7.1993 - 1 BvR 1523/92, NJW 1994, 241 [242]; v. 7.4.2000 - 1 BvR 81/00, NJW 2000, 1936 [1937]; BGH v. 31.7.2003 - III ZB 7/03, NJW-RR 2003, 1438; v. 12.9.2002 - III ZB 4...