Leitsatz (amtlich)
Ein Beweisantrag im selbständigen Beweisverfahren kann darauf gerichtet sein, die Höhe der Mietminderung durch einen Sachverständigen begutachten zu lassen.
Normenkette
BGB § 536; ZPO § 485 Abs. 2, § 487 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Beschluss vom 23.02.2021; Aktenzeichen 6 OH 1/21) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 23. Februar 2021 - 6 OH 1/21 - teilweise dahingehend abgeändert, dass sich die Beweiserhebung auch auf die Beweisfragen zu 1. c), 2. c) und 3. c) der Antragsschrift vom 25. Januar 2021 erstreckt.
Gründe
I. Die Antragstellerin betreibt in Neunkirchen eine Gaststätte. Nach ihrer Behauptung hat sich im Getränkekühlhaus an den Wänden Feuchtigkeit angesammelt, die zu Schimmelbildung geführt habe. In den Gasträumen sei wiederholt ein Fäkaliengeruch aufgetreten im Zusammenhang mit einem Ausfall der Belüftungsanlage. Außerdem erreiche die Kühlungsanlage der Kücheninsel nicht durchgehend die notwendige Kühltemperatur. Das Landgericht hat dem Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens insoweit entsprochen, als die Antragstellerin das Vorliegen der Mängel und deren Ursache durch ein Sachverständigengutachten festgestellt wissen will. Soweit durch das Gutachten zusätzlich die Höhe der für die einzelnen Mängel anzusetzenden Mietminderung geklärt werden soll, hat es den Antrag zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, der die Antragsgegnerin, die Vermieterin der Gaststätte, entgegengetreten ist und der das Landgericht nicht abgeholfen hat.
II. Die gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.
1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts besteht ein rechtliches Interesse (§ 485 Abs. 2 ZPO) der Antragstellerin daran, dass die Höhe der aufgrund der behaupteten Mängel berechtigten Mietminderung außerhalb eines anhängigen Rechtsstreits durch ein Sachverständigengutachten festgestellt wird.
a) Zwar wird in der landgerichtlichen Rechtsprechung teilweise vertreten, Feststellungen zur Minderungshöhe könnten nicht Gegenstand eines selbständigen Beweisverfahrens gemäß § 485 ZPO sein (LG Berlin, MDR 1991, 444; LG Saarbrücken, WuM 1992, 144, 145; LG Hamburg, Beschluss vom 27. Juli 2011 - 333 T 43/11, BeckRS 2012, 8455). Begründet wird dies damit, dass die Beurteilung, in welchem Umfang die Miete aufgrund eines Mangels der Mietsache gemäß § 536 BGB gemindert sei, eine Rechtsfrage darstelle, deren Beantwortung dem Gericht obliege.
b) Vorherrschend ist dagegen die Auffassung, wonach § 485 Abs. 2 ZPO die Möglichkeit eröffne, in einem selbständigen Beweisverfahren auch die Höhe der Mietminderung durch einen Sachverständigen begutachten zu lassen (KG, NJW-RR 2000, 513; BeckOK ZPO/Kratz [1.3.2021], § 485 Rn. 37; Stein/Jonas/Berger, ZPO, 23. Aufl., § 485 Rn. 27; Wieczorek/Schütze/Ahrens, ZPO, 4. Aufl., § 485 Rn. 46; Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl., § 485 Rn. 9; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 14. Aufl., § 536 BGB Rn. 520; Lützenkirchen, Mietrecht, 3. Aufl., § 536 BGB Rn. 66d; Bub/Treier/ Fischer/Günter, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., Kap. XI Rn. 217; Guhling/Günter/Nober, Gewerberaummiete, 2. Aufl., Kap. 5 Rn. 14; Scholl, NZM 1999, 108, 109).
c) Der Senat folgt der herrschenden Meinung.
aa) Die Höhe der Mietminderung richtet sich wesentlich nach dem Maß der Gebrauchsbeeinträchtigung. Dieses festzustellen wird dem Gericht vielfach nur auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens zu den Auswirkungen des Mangels auf die Möglichkeit zum Gebrauch der Mietsache möglich sein. Angaben des Sachverständigen dazu, wie die durch den Mangel hervorgerufene Nutzungseinschränkung prozentual zu bewerten ist, sind dabei in der Praxis üblich und können dem Gericht zumindest eine Orientierungshilfe bei der Bestimmung der angemessenen Mietminderung sein (vgl. Scholl, aaO, S. 110). Dementsprechend wird es im Mietprozess ohne weiteres als zulässig und im Einzelfall sogar als geboten erachtet, einen Sachverständigen zur Klärung des Minderungsbetrags heranzuziehen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar 1991 - XII ZR 47/90, NJW-RR 1991, 779; Beschluss vom 11. Juni 1997 - XII ZR 254/95, NJWE-MietR 1997, 202). Für das selbständige Beweisverfahren gilt insoweit nichts Anderes.
bb) Der Wortlaut des § 485 Abs. 2 ZPO steht einer Beweiserhebung nicht entgegen. Feststellungen zur Höhe der Minderung betreffen den Zustand bzw. den Wert einer Sache im Sinne von § 485 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Die Höhe der Mietminderung knüpft unmittelbar an den Zustand der Mieträume an (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 30. Januar 2017 - 12 W 34/16, BeckRS 2017, 102285 Rn. 9), auf deren Wert sie sich zudem - jedenfalls mittelbar - auswirkt. Daneben ist die Bestimmung der Mietminderung zumindest im weiteren Sinne dem Bereich der Schadensfeststellung gemäß § 485 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZPO zuzuordnen (KG, aaO).
cc) Auch der Normzweck spricht für die Zuläs...