Leitsatz (amtlich)
Ein gerichtlicher Vergleich, in dem sich eine Partei verpflichtet, eine Bankbürgschaft in einer Höhe freizugeben, die einen von der anderen Partei mit einer zu erhebenden Klage geltend gemachten Rückzahlungsanspruch übersteigt, ist nicht vollstreckungsfähig.
Normenkette
ZPO § 888
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Beschluss vom 03.07.2013; Aktenzeichen 15 O 196/12) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des LG Saarbrücken vom 3.7.2013 - 15 O 195/12 - aufgehoben.
Der Zwangsvollstreckungsantrag der Gläubigerin vom 24.5.2013 nach § 888 ZPO wird zurückgewiesen.
II. Die Gläubigerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und des Verfahrens gem. § 888 ZPO.
III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Gläubigerin hatte die Schuldnerin mit verschiedenen Werkleistungen im Zusammenhang mit der Errichtung eines Fabrik- und Lagergebäudes in Homburg/Saar beauftragt. Die Schuldnerin hatte sich verpflichtet, 20 % der Nettoauftragssumme gegen Stellung von Vorauszahlungsbürgschaften auszuzahlen und die Vorauszahlungen bis zum Bauende bestehen zu lassen. Die D. Bank AG stellte eine Bürgschaft auf erstes Anfordern über 536.950 EUR für das Gewerk "Elektroinstallation & Trafo MS/NSHVT" (Bl. 5, 42 d.A.), eine weitere Bürgschaft für ein anderes Gewerk stellte die R. Bank S.
Als ein Zugriff der Schuldnerin auf die Bürgschaften im Raum stand, hat die Gläubigerin (Verfügungsklägerin) den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt. Der Schuldnerin (Verfügungsbeklagten) solle untersagt werden, die beiden Banken aus den Bürgschaften in Anspruch zu nehmen (Bl. 2 d.A.). Das LG hat die einstweilige Verfügung am 13.8.2012 antragsgemäß erlassen (Bl. 129 d.A.). Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch der Schuldnerin hat das LG am 30.8.2012 mündlich verhandelt. Im Termin haben die Parteien einen Prozessvergleich geschlossen. In Ziff. 1 haben sie zum "Gewerk Elektro" vereinbart (Bl. 224 d.A.):
"a) Die Verfügungsbeklagte verpflichtet sich, die Bürgschaft der D. Bank vom 31.1.2011 [...] über insgesamt 536.950 EUR zunächst bis zum 30.11.2012 nicht in Anspruch zu nehmen. Sie erklärt gegenüber der ausstellenden D. Bank in Hamburg, dass die bisherige Inanspruchnahme nicht aufrechterhalten bleibt.
b) Wenn die Verfügungsbeklagte bei der Prüfung der Schlussrechnung zu dem Ergebnis gelangt, dass ihr nach Verrechnung der Vorauszahlung ein Rückzahlungsanspruch gegen die Verfügungsklägerin zusteht, obliegt es ihr, bis spätestens 30.11.2012 Zahlungsklage gegen die Klägerin zu erheben. § 167 ZPO gilt entsprechend. Im Falle der Klage verbleibt der Beklagten die Summe i.H.v. 110 % des eingeklagten Betrages. In überschießender Höhe ist die Bürgschaft freizugeben. Erhebt die Beklagte innerhalb der vorgenannten Frist keine Klage, ist die Bürgschaft insgesamt freizugeben.
[...]"
Die Schuldnerin hat mit Schriftsatz vom 20.11.2012 vor dem LG Saarbrücken Klage erhoben (Az. 15 O 281/12), mit der sie die Rückzahlung von Vorauszahlungen i.H.v. 417.658,89 EUR geltend gemacht hat. Daraufhin hat die Gläubigerin sie aufgefordert, die Vorauszahlungsbürgschaft der D. Bank i.H.v. 77.525,22 EUR freizugeben. Die Schuldnerin ist dem nur i.H.v. 46.238,59 EUR nachgekommen (Bl. 251 d.A.).
Mit Schriftsatz vom 24.5.2013 hat die Gläubigerin beantragt, gegen die Schuldnerin ein Zwangsgeld bis zu 25.000 EUR, ersatzweise Zwangshaft, festzusetzen zur Erzwingung der Verpflichtung, die auf insgesamt 536.950 EUR lautende Vorauszahlungsbürgschaft der D. Bank AG vom 31.1.2011 i.H.v. weiteren 31.286,63 EUR gegenüber der D. Bank AG freizugeben (Bl. 250 d.A.). Sie hat sich darauf berufen, dass die Schuldnerin mit Blick auf den Betrag ihrer Zahlungsklage vom 20.11.2012 aufgrund des Vergleichs vom 30.8.2012 berechtigt sei, einen Betrag i.H.v. 459.424,78 einzubehalten, allerdings gleichzeitig einen Bürgschaftsbetrag i.H.v. insgesamt 77.525,220 EUR - nicht nur i.H.v. 46.238,59 EUR - freigeben müsse.
Die Schuldnerin hat darauf aufmerksam gemacht, dass sie im Verfahren 15 O 281/12 neben einem Zahlungsbetrag i.H.v. 417.558,89 EUR auch Zinsforderungen i.H.v. drei Prozentpunkten gem. § 16 Abs. 2 VOB/B für den Zeitraum bis zur Verrechnung geltend mache (Bl. 257 d.A.). Sie hat den Prozessvergleich dahin ausgelegt, dass eine Hinzurechnung von Zinsen bei der Ermittlung des Umfangs der Freigabeverpflichtung nicht zu erfolgen habe (Bl. 261 d.A.).
Das LG hat mit Beschluss vom 3.7.2013 (Bl. 263 d.A.) gegen die Schuldnerin ein Zwangsgeld von 1.000 EUR verhängt, ersatzweise Zwangshaft, zur Erzwingung der ihr "aufgrund des Vergleichs des LG Saarbrücken vom 30.8.2012 auferlegten Handlung, die Freigabe der Bürgschaft der D. Bank vom 31.1.2011 [...] i.H.v. weiteren 31.286,63 EUR zu veranlassen". Da die von der Schuldnerin abzugebende Willenserklärung - insbesondere in Bezug auf die Höhe des Freigabebetrags - keinen fest bestimmten Inhalt gehabt habe, richte sich die Zwangsvollstreckung nicht nach § 894 ZPO, sondern nach 888 ZPO. Es sei davon auszugehen, dass ...