Entscheidungsstichwort (Thema)

Wettbewerbsrecht: Veranlassung zur Klageerhebung ohne vorherige Abmahnung des Wettbewerbers

 

Leitsatz (amtlich)

Erlangt der Verfügungskläger erst am Vortag Kenntnis von einem drohenden Wettbewerbsverstoß, so ist die sofortige Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes im Regelfall zur sicheren Unterbindung des Wettbewerbsverstoßes ohne Alternative. Der Verfügungskläger ist zur Vermeidung von Kostennachteilen weder gehalten, den Wettbewerber zuvor abzumahnen, noch die Ernstlichkeit der Werbung durch Rücksprache zu hinterfragen.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 30.01.2008; Aktenzeichen 7 KFH O 87/08)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin wird die in dem Urteil der Kammer für Handelssachen I des LG Saarbrücken vom 30.1.2008 - Az.: 7 KFH O 87/08 - getroffene Kostenentscheidung dahin abgeändert, dass die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens der Verfügungsbeklagten zur Last fallen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Verfügungsbeklagten auferlegt.

3. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf den Gesamtbetrag der noch festzusetzenden erstinstanzlichen Verfahrenskosten (Gerichtskosten und außergerichtliche Kosten der Parteien) festgesetzt.

Hinsichtlich des erstinstanzlichen Streitwertes verbleibt es bei der unter Ziff. 4 des landgerichtlichen Beschlusses vom 31.10.2007 erfolgten Streitwertfestsetzung auf 12.500 EUR.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin ist zulässig.

Nach der in der Rechtsprechung und der rechtswissenschaftlichen Literatur herrschenden Auffassung ist gegen ein Endurteil über die Kosten, das im Verfahren der einstweiligen Verfügung auf einen sog. Kostenwiderspruch der Verfügungsbeklagten ergangen ist, die sofortige Beschwerde entsprechend § 99 Abs. 2 ZPO statthaft (Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., Rz. 11 zu § 925 ZPO; Musielak-Huber, ZPO, 6. Aufl., Rz. 9 zu § 925 ZPO; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 28. Aufl., Rz. 4 zu § 925 ZPO; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 5. Aufl., Kap. 55, Rz. 12; OLG Koblenz NJW-RR 1997, 893; OLG Bremen NJW-RR 1988, 625; OLG Karlsruhe NJW-RR 1987, 105; OLG Stuttgart OLGReport Stuttgart 1999, 329; Senatsentscheidungen vom 30.11.2004 in der Sache 1 W 265/04-43 - und vom 21.5.2007 in der Sache 1 W 19/07-4-). Die Beschwerde der Verfügungsklägerin ist weiterhin form- und fristgerecht nach Maßgabe des § 569 ZPO eingelegt worden. Ein Abhilfeverfahren nach § 572 Abs. 1 ZPO war im Hinblick auf §§ 318, 572 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht durchzuführen; dass dies gleichwohl geschehen ist, ändert nichts an der Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde der Verfügungsklägerin.

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Abänderung der mit ihm angefochtenen Kostenentscheidung dahin, dass die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens von der Verfügungsbeklagten zu tragen sind.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens sind der Verfügungsbeklagten gem. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO aufzuerlegen, da der Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung in der Hauptsache erfolgreich war. Das LG hat durch Beschluss vom 31.10.2007 (Bl. 12 ff. d.A.) dem klägerischen Antrag stattgegeben. Gegen diesen Beschluss hat die Verfügungsbeklagte lediglich Kostenwiderspruch eingelegt. Entsprechend ist die Verfügungsbeklagte in Ansehung der Hauptsache als unterliegende Partei anzusehen, die nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO grundsätzlich mit den Verfahrenskosten zu belasten ist.

Allerdings wären der Verfügungsklägerin dessen ungeachtet gem. § 93 ZPO die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens aufzuerlegen, wenn die Verfügungsbeklagte den Verfügungsanspruch sofort anerkannt und der Verfügungsklägerin keine Veranlassung zur gerichtlichen Rechtsverfolgung gegeben hätte. Von einer derartigen Sachlage kann im vorliegenden Fall jedoch nicht ausgegangen werden. Zwar hat die Verfügungsbeklagte ihren Widerspruch gegen die Beschlussverfügung vom 31.10.2007 ausdrücklich auf den Kostenpunkt beschränkt und damit den Verfügungsanspruch der Sache nach anerkannt. Sie hat jedoch der Verfügungsklägerin sehr wohl Veranlassung zur gerichtlichen Rechtsverfolgung gegeben.

Zwar ist eine hinreichende Veranlassung zur gerichtlichen Rechtsverfolgung regelmäßig zu verneinen, wenn die einen Unterlassungsanspruch verfolgende Verfügungsklägerin entgegen der grundsätzlichen Forderung des § 12 Abs. 1 UWG sogleich den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, ohne dem Unterlassungsschuldner zuvor eine Abmahnung übermittelt und ihm so Gelegenheit gegeben zu haben, ein gerichtliches Verfahren durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung zu vermeiden.

Etwas anderes muss jedoch dann gelten, wenn es der Verfügungsklägerin nach den konkreten Umständen des Falles unzumutbar war, die Verfügungsbeklagte als Verletzerin vor der Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe erst noch abzumahnen, weil eine besondere Dringlichkeit bestand (vgl. OLG Düsseldorf WRP 1969, 457; OLG München WRP 1970, 35). Eine solche besondere Eilbed...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge