Leitsatz (amtlich)

Die Vollstreckung der Verpflichtung zur Vorlage eines Wertgutachtens kann im Einzelfall eine unvertretbare Handlung sein, wenn zu dessen Erstattung nach dem Vollstreckungstitel ausschließlich der Gutachterausschuss des Landkreises berufen ist, der nur auf Antrag bestimmter Personen oder Stellen tätig wird, und der Gläubiger nicht zu diesem Personenkreis zählt (im Anschluss an Senat, Beschluss vom 2. April 2024 - 5 W 16/24, juris = NJW-Spezial 2024, 391 m. Anm. Roth)

 

Normenkette

ZPO §§ 887-888

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Beschluss vom 09.04.2024; Aktenzeichen 14 O 111/21)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin vom 16. April 2024 gegen den Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 9. April 2024 - 14 O 111/21 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Gegenstand des vorliegenden - neuerlichen - Beschwerdeverfahrens ist ein Antrag der Gläubigerin vom 12. November 2023 (Bl. 46 ff. GA) auf Ermächtigung zur Ersatzvornahme einer durch Teil-Versäumnisurteil des Landgerichts Saarbrücken - Zivilkammer - vom 1. Januar 2021 rechtskräftig titulierten Verpflichtung des Schuldners, auf seine Kosten ein Gutachten des Gutachterausschusses des Landkreises M. über den Verkehrswert des Anwesens ..., eingetragen im Grundbuch des Amtsgericht Saarbrücken von M. Blatt ..., auf den 25. März 2020 erstatten zu lassen (Bl. 37 GA). Mit Beschluss vom 16. Januar 2024 hatte das Landgericht - Einzelrichter - diesen Antrag zurückgewiesen und nur dem weiterhin, hilfsweise gestellten Zwangsmittelantrag nach § 888 ZPO entsprochen (Bl. 66 ff. GA). Auf die dagegen erhobene sofortige Beschwerde der Gläubigerin wurde diese Entscheidung - nur - wegen der fehlerhaften Besetzung der Richterbank aufgehoben (Senatsbeschluss vom 20. März 2024 - 5 W 14/24 = Bl. 2 ff. im Anlagenband OLG); wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf diesen Beschluss und die dortigen Ausführungen ausdrücklich Bezug genommen.

Das nach Zurückverweisung mit der Sache befasste Landgericht - Zivilkammer - hat mit dem nunmehr angefochtenen Zwangsmittelbeschluss vom 9. April 2024 den Antrag auf Ermächtigung zur Ersatzvornahme zurückgewiesen und dem hilfsweise gestellten Zwangsmittelantrag nach § 888 ZPO entsprochen (Bl. 94 ff. GA). Zur Begründung hat es maßgeblich darauf abgestellt, dass es sich bei der titulierten Verpflichtung mangels einer eigenen Antragsberechtigung der Gläubigerin (§ 193 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB) nicht um eine vertretbare Handlung im Sinne des § 887 ZPO handele, die auch durch einen Dritten erfolgen könne. Gegen diesen Beschluss hat die Gläubigerin sofortige Beschwerde eingelegt. Sie wiederholt und vertieft ihre Ansicht, § 887 ZPO sei vorliegend anwendbar; im Falle der Ermächtigung sei sie ein dem Eigentümer gleichstehender Antragsberechtigter, so dass die Einholung des Gutachtens nicht vom Willen des Schuldners abhänge (Bl. 103 ff. GA). Das Landgericht hat dieser sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung über das Rechtsmittel vorgelegt.

II. Das neuerliche Rechtsmittel der Gläubigerin gegen die Ablehnung ihrer Ermächtigung zur Ersatzvornahme ist als sofortige Beschwerde gemäß §§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 793 ZPO statthaft und auch sonst zulässig; es bleibt aber aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, dem auch die Beschwerdebegründung nichts Erhebliches entgegensetzt, erfolglos. Das Landgericht hat die Voraussetzungen, unter denen ein Gläubiger von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges auf Antrag zu ermächtigen ist, auf Kosten des Schuldners eine diesem obliegende Handlung vornehmen zu lassen (§ 887 Abs. 1 ZPO), im vorliegenden Einzelfall zu Recht nicht für gegeben erachtet.

1. § 887 Abs. 1 ZPO betrifft die Zwangsvollstreckung von Verpflichtungen des Schuldners zu Vornahme einer vertretbaren Handlung. Die Anwendbarkeit dieser Vorschrift erfordert, dass die geschuldete Tätigkeit von einem Dritten anstelle des Vollstreckungsschuldners vorgenommen werden kann, ohne dass es dem Vollstreckungsgläubiger darauf ankäme, dass diese gerade vom Vollstreckungsschuldner selbst vorgenommen wird (vgl. BGH, Beschluss vom 27. November 2008 - I ZB 46/08, NJW-RR 2009, 443; Lackmann, in: Musielak/Voit, ZPO 21. Aufl., § 887 Rn. 8). Eine Ersatzvornahme durch den Gläubiger setzt überdies voraus, dass es auch vom Standpunkt des Schuldners aus rechtlich zulässig ist, wenn ein anderer die geschuldete Handlung bewirkt (BGH, Urteil vom 11. November 1994 - V ZR 276/93, NJW 1995, 463; OLG Koblenz, MDR 2014, 244; OLG Bamberg, MDR 1983, 499; Seibel, in: Zöller, ZPO 35. Aufl., § 887 Rn. 2; s. auch schon den Senatsbeschluss vom 20. März 2024 - 5 W 14/24, freilich dort noch ohne Bindungswirkung). Entgegen der Ansicht der Gläubigerin geht es hierbei auch nicht ausschließlich um spezielle, von besonderem persönlichem Vertrauen geprägte Konstellationen. Vielmehr scheidet eine Ersatzvornahme grundsätzlich schon dann aus, wenn zur Vornahme der jeweiligen H...

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