Leitsatz (amtlich)
a) Voraussetzung der Entziehung der elterlichen Sorge § 1666 BGB wegen Kindeswohlgefährdung ist ein bereits eingetretener Schaden oder eine gegenwärtige, in einem solchen Maße vorhandene Gefahr, dass sich bei seiner weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt.
b) Eine auf § 1666 BGB gestützte Anordnung, dass sich ein Elternteil zur Abwendung einer Gefährdung seines Kindes einer psychotherapeutischen Behandlung zu unterziehen habe, verletzt das allgemeine Persönlichkeitsrecht des betroffen Elternteils, weil weder § 1666 BGB noch eine andere Vorschrift eine gesetzliche Grundlage dafür bietet. Denn § 1666 BGB gestattet nur - in einer solchen Konstellation allerdings denkbare - Eingriffe in das Sorgerecht des betroffenen Elternteils; die Therapieauflage betrifft indessen nicht das sorgerechtliche Band, das ihn mit seinem Kind verbindet.
Verfahrensgang
AG Saarlouis (Beschluss vom 13.03.2009; Aktenzeichen 20 F 131/07 SO) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird in Abänderung des Beschlusses des AG - Familiengericht - in Saarlouis vom 13.3.2009 - 20 F 131/07 SO - festgestellt, dass die Voraussetzungen für Maßnahmen nach § 1666 BGB nicht vorliegen mit der Folge, dass es uneingeschränkt bei der gemeinsamen elterlichen Sorge der Kindeseltern verbleibt.
II. Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
III. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
IV. Der Antragstellerin wird mit Wirkung vom 20.5.2009 ratenfreie Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter gleichzeitiger Beiordnung von Rechtsanwalt, bewilligt.
V. Dem Antragsgegner wird mit Wirkung vom 21.9.2009 Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter gleichzeitiger Beiordnung von Rechtsanwältin, bewilligt. Der Antragsgegner hat ab 1.11.2009 monatliche Raten von 45 EUR auf die Verfahrenskosten zu zahlen.
Gründe
I. Das betroffene, am. Januar 1998 geborene Kind A. K. ist aus der - seit dem 21.9.2000 geschiedenen - Ehe der Beteiligten zu1) und 2) hervorgegangen. Seit der Trennung der Kindeseltern lebt das Kind im Haushalt der Antragstellerin. Die Kindeseltern üben die elterliche Sorge für A. K. gemeinsam aus.
Die Antragstellerin hat aus früheren Ehen drei - am. Januar 1994, am. August 1996 und am. Januar 2003 geborene Kinder. Sie ist ferner Mutter eines am. November 2007 aus einer neuen Beziehung hervorgegangenen weiteren Kindes.
Der Antragsgegner ist seit Dezember 2003 wieder verheiratet. Seine jetzige Ehefrau hat aus erster Beziehung eine am. November 1990 geborene Tochter.
Die Kindeseltern hatten erstinstanzlich zunächst wechselseitig auf Übertragung der elterlichen Alleinsorge für das Kind auf sich sowie Zurückweisung des Antrags des anderen Elternteils angetragen.
Nach Einholung eines am 3.5.2007 eingegangenen Jugendamtsberichts, in dem keine hinreichenden Gründe dafür gesehen wurden, das Kind aus seinen derzeitigen familiären Bezügen und seinem gewohnten sozialen Umfeld herauszureißen, in dem aber eine Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit der Eltern nicht gesehen und ein regelmäßiger Umgang des Antragsgegners mit dem Kind befürwortet wurde, hat das Familiengericht das Kind am 15.5.2007 persönlich angehört. Das Kind erklärte, wenn es bei der Mutter sei, vermisse es den Vater; wenn es beim Vater sei, vermisse es die Mutter. Am liebsten wolle es alle drei Wochen beim Vater sein, dorthin umziehen wolle es allerdings nicht.
In der mündlichen Anhörung vom selben Tage hat das Familiengericht dem Kind einen Verfahrenspfleger bestellt, der am 14.9.2007 berichtet hat, dass das Kind eine eindeutige Beziehung zu beiden Elternteilen habe, es werde aber deutlich, dass es lieber in der Familie der Mutter verbleiben wolle.
Mit Beschluss vom 18.10.2007 hat das Familiengericht die Einholung eines kinderpsychologischen Gutachtens zu der Frage angeordnet, welche Form des Aufenthaltes des Kindes dem Kindeswohl am Besten entspreche. In seinem Gutachten vom 17.10.2008, auf das ergänzend Bezug genommen wird, hat der Sachverständige einen Wechsel des Kindes in den Haushalt des Antragsgegners empfohlen. Zwar sprächen die Kontinuität der Lebensbedingungen und der Kindeswille für einen Verbleib des Kindes im Haushalt der Antragstellerin. Auf der anderen Seite legten die Förderkompetenz und größere Bindungstoleranz einen Wechsel in den Haushalt des Antragsgegners nahe. Ausschlaggebend für die sachverständige Empfehlung sei aus psychologischer Sicht hier die drohende Entwicklungsgefährdung, welche sich für das Kind aus den pathologischen Beziehungsmustern der Antragstellerin ergebe. Zudem sei entscheidend, welcher der beiden Elternteile am ehesten in der Lage sein werde, auf diese potentielle Gefährdung adäquat zu reagieren; dies sei der Antragsgegner.
Mit Schriftsatz vom 12.11.2008 hat die Antragstellerin den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und bean...