Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Kompensation der Erziehungsunfähigkeit durch anderen Elternteil
Leitsatz (amtlich)
Zur - hier verneinten - Möglichkeit der Kompensation der Erziehungsunfähigkeit der mit dem Kind in einer Eltern-Kind-Einrichtung lebenden Kindesmutter durch den Kindesvater im Wege des Rollentauschs.
Normenkette
BGB §§ 1666, 1666a, 1696 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Saarbrücken (Beschluss vom 16.07.2009; Aktenzeichen 39 F 505/08 S) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - in Saarbrücken vom 16.7.2009 - 39 F 505/08 SO - wird zurückgewiesen.
2. Die Antragsgegner tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Antrag der Antragsgegner auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
4. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die beiden betroffenen Kinder sind das fünfte und sechste Kind der am ... November 1977 geborenen Kindesmutter.
Aus deren am 2.9.1997 mit Herrn D. A. geschlossenen und am 4.12.2003 geschiedenen Ehe stammen ihre beiden Kinder J3, geboren am ... März 1996, und J4, geboren am ... Oktober 1997. Ein weiterer, im Jahr 2001 aus dieser Ehe hervorgegangener Sohn starb am Tag seiner Geburt.
Aus einer nicht ehelichen Beziehung der Kindesmutter ist die Tochter C., geboren am ... März 2003 hervorgegangen.
Das betroffene Kind J. wurde am ... Mai 2007 außerhalb einer Ehe geboren; die Vaterschaft für J. wurde bislang nicht anerkannt.
Die am ... April 2009 geborene L. J2 ist aus der im Jahr 2008 geschlossenen Ehe der Kindeseltern hervorgegangen.
Bereits seit 1998 unterstützt das Jugendamt die Kindesmutter, weil es Probleme in der Finanz- und Wohnsituation, der Hygiene und der Versorgung der Kinder gegeben hatte. Im September 2002 wurde eine sozialpädagogische Familienhilfe eingerichtet. Im April 2003 äußerte J3 in der Betreuung der Schule, sie werde von beiden Eltern - der Kindesmutter und Herrn A. - geschlagen; es gab Hinweise auf eine mangelhafte Versorgung. Am 9.4.2003 erzählten J3 und J4, sie müssten beim gemeinsamen Duschen mit dem Kindesvater diesen am Penis berühren und waschen; die Kinder zeigten ein sexualisiertes Verhalten. Im September 2003 gab die Kindesmutter an, sich mit der Betreuung und Versorgung ihrer Kinder überfordert zu fühlen.
Am 19.9.2003 wurden J3, J4 und C. auf Antrag beider Elternteile in einer Bereitschaftspflegefamilie untergebracht. Mit einstweiliger Anordnung vom 2.4.2004 hat das Familiengericht im vorangegangenen Verfahren 39 F 140/04 SO der Kindesmutter und Herrn D. A. die Personensorge für J3 und J4 und der Kindesmutter die Personensorge für C. entzogen und die Personensorge für alle drei Kinder einem Pfleger übertragen. Es stützte seine Entscheidung darauf, dass die Kinder in desolaten Wohnungsverhältnissen lebten und ihr Pflegezustand, ihre Versorgung mit Nahrungsmitteln und ihre ärztliche Versorgung unzureichend seien.
Ein in diesem Verfahren eingeholtes psychologisches Gutachten des Sachverständigen Diplom-Psychologen A. vom 6.6.2005 hat die Kindesmutter als unreife Persönlichkeit, geprägt von emotionaler Instabilität und Impulsivität beschrieben, die eigene Anteile an den Schwierigkeiten mit ihren Kindern nicht sehe. Die Berichte des Jugendamtes, der Schule und des X.-Heims, insbesondere der Bereitschaftspflegemutter ließen ohne Zweifel darauf schließen, dass über einen längeren Zeitraum die elementare Grundversorgung, Betreuung und Förderung der Kinder von beiden Elternteilen vernachlässigt worden seien. Eine Rückführung der Kinder in den elterlichen Haushalt sei aus psychologischer Sicht wegen Kindeswohlgefährdung nicht angezeigt. Weder Herr A. noch die Kindesmutter seien derzeit in der Lage, den Bedürfnissen der Kinder nach stabiler Beziehung, empathischer Fürsorge, nach strukturierter Erziehung und adäquater Förderung gerecht zu werden.
Mit Beschluss vom 7.10.2005 hat das Familiengericht der Kindesmutter und Herrn A. die elterliche Sorge für J3 und J4 und der Kindesmutter zudem die elterliche Sorge für C. entzogen und Vormundschaft angeordnet.
Nach der Geburt J. stellte das Jugendamt erneut erhebliche Mängel in der Versorgung dieses Kindes fest, das zu dieser Zeit mit den Kindeseltern in einer Ein-Zimmer-Wohnung lebte. Nachdem das Jugendamt J. in Obhut genommen hatte, erklärte sich die Kindesmutter bereit, mit J. in die Mutter-Kind-Einrichtung des Diakonischen Werks in [Ort] zu gehen, wo sie ab dem 17.9.2007 mit dem Kind gelebt hat.
Das Familiengericht hat das vorliegende Verfahren aufgrund eines am 9.12.2008 eingegangenen Berichts des Jugendamts eingeleitet, in dem dieses das Familiengericht um Perspektivklärung für J. gebeten hat, weil Zweifel bezüglich der Erziehungsfähigkeit der Kindesmutter und hinsichtlich der weiteren Entwicklung der Familie bestünden. Aus einem beigefügten Bericht der Mutter-Kind-Einrichtung vom 21.10.2008 geht hervor, dass sich im Laufe des Jahres 2008 gezeigt habe, dass die Kindesmutter bei einer Lockerung...