Leitsatz (amtlich)
1. Im Rahmen des derzeit geltenden Kindschaftsrechts kann ein Wechselmodell vom Gericht jedenfalls nicht gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden, und zwar weder durch eine Sorge- noch durch eine Umgangsregelung. Ein Wechselmodell setzt außerdem jedenfalls eine Konsensfähigkeit der Eltern und deren hohe Bereitschaft und Fähigkeit zur Kommunikation und Kooperation voraus.
2. Eine einstweilige Anordnung nach § 64 Abs. 3 FamFG liegt vor, wenn sich die Anordnung im Rahmen des Beschwerdegegenstands hält. In diesem Fall ist sie Teil des Hauptsachebeschwerdeverfahrens, so dass keine gesonderte Kostenscheidung veranlasst ist.
Normenkette
BGB §§ 1671, 1684; FamFG § 64 Abs. 3
Verfahrensgang
AG Völklingen (Beschluss vom 16.05.2014; Aktenzeichen 8 F 400/13 UG) |
Tenor
I. Im Wege einstweiliger Anordnung werden die Ziff. 2., 3. und 4. des angefochtenen Beschlusses des AG - Familiengericht - in Völklingen vom 16.5.2014 - 8 F 400/13 UG - vorläufig wie folgt abgeändert und neu gefasst:
2. Die Antragstellerin hat die Pflicht und das Recht, mit dem beteiligten Kind L. A. V. D., geboren am ..., alle 14 Tage von freitags 13.25 Uhr bis montags 8.00 Uhr, beginnend mit dem 4.7.2014, Umgang zu pflegen.
3. Die Antragstellerin hat ferner die Pflicht und das Recht, mit dem beteiligten Kind L. A. V. D., geboren am ..., wie folgt Umgang zu pflegen:
a. wöchentlich von mittwochs 13.25 Uhr bis donnerstags 8.00 Uhr, beginnend mit dem 2.7.2014;
b. in den Wochen, in denen kein Wochenendumgang stattfindet, freitags von 13.25 bis 19.00 Uhr, beginnend mit dem 11.7.2014.
4. Die Antragstellerin hat außerdem die Pflicht und das Recht, mit dem beteiligten Kind L. A. V. D., geboren am ..., in der jeweils zweiten Hälfte der saarländischen Schulferien (Sommer-, Herbst-, Weihnachts- und Osterferien), beginnend mit dem ersten Tag der zweiten Ferienhälfte 10.00 Uhr bis zum letzten Ferientag 19.00 Uhr, Umgang zu pflegen, beginnend mit den Sommerschulferien 2014.
II. Im Übrigen bewendet es einstweilen bei den Anordnungen im angefochtenen Beschluss.
III. Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, in der Hauptsache ohne erneute persönliche Anhörung der Beteiligten und mündliche Erörterung zu entscheiden (§ 68 Abs. 3 S. 2 FamFG).
Gründe
Der auf § 64 Abs. 3 FamFG gegründete Eilantrag des Antragsgegners (Vater), der gegen die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache ein zulässiges (§ 58 ff. FamFG) Rechtsmittel eingelegt hat, ist statthaft, hat im Wesentlichen Erfolg und führt zur vorläufigen Neuregelung des Umgangsrechts der Antragstellerin (Mutter) mit dem beteiligten Kind L. im Wege einstweiliger Anordnung.
Die angegriffene Umgangsregelung kann schon aus Rechtsgründen keinen Bestand haben.
Das Familiengericht hat seine Umgangsregelung, die - zeitlich betrachtet - der Anordnung eines Wechselmodells gleichkommt, für zulässig erachtet, wenn sie - und weil sie aus seiner Sicht - dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
Diese - im beanstandeten Beschluss nicht belegte - Rechtssicht steht in Widerspruch zur ganz herrschenden, vom Senat geteilten Auffassung.
Im Rahmen des derzeit geltenden Kindschaftsrechts kann ein Wechselmodell vom Gericht jedenfalls nicht - wie hier - gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden (Senatsbeschluss vom 5.3.2008 - 6 UF 87/07; KG FamRZ 2014, 50; OLG München FamRZ 2013, 1822; OLG Naumburg FamRZ 2014, 50; OLG Hamm FamRZ 2012, 1883; OLG Brandenburg FamFR 2013, 574; FamRZ 2010, 1352; 2009, 1759; 2003, 1949; OLG Hamm NJW 2012, 398; OLG Düsseldorf ZKJ 2011, 256; OLG Stuttgart FamRZ 2007, 1266; Staudinger/Coester, BGB, Neubearbeitung 2009, § 1671 Rz. 23; Hinweis des Vorstandes des Deutschen Familiengerichtstages e.V. zum Wechselmodell, FF 2014, 46; Völker/Clausius, FamRMandat - Sorge- und Umgangsrecht, 6. Aufl. 2014, § 1 Rz. 321 m.w.N.).
Das Familiengericht hat im Ansatz zutreffend erkannt, dass die Anordnung eines Wechselmodells durch eine Sorgerechtsregelung nach § 1671 Abs. 1 S. 1 und S. 2 Nr. 2 BGB - die allerdings im vorliegenden Verfahren, in dem nur das Umgangsrecht der Mutter mit dem Kind gegenständlich ist, ohnehin nicht hätte erlassen werden können - rechtlich nicht möglich ist. Denn Inhalt der an dieser Vorschrift ausgerichteten Entscheidung kann nach dem Gesetzeswortlaut nur die Übertragung der elterlichen Sorge oder eines Teils davon auf einen der Elternteile sein (Senatsbeschluss vom 5.3.2008 - 6 UF 87/07; OLG Stuttgart FamRZ 2007, 1266).
Diese sorgerechtlich klare Ausgangslage zu umgehen, indem - wie das Familiengericht in der angegriffenen Entscheidung - das Umgangsrecht des anderen Elternteils so ausgestaltet wird, dass die Zeiträume, während derer sich das Kind bei jedem seiner Elternteile aufhält, in ihrer Summe etwa gleich lang sind, missachtet jene eindeutige gesetzgeberische Entscheidung und ist daher abzulehnen, zumal das Umgangsrecht nicht dazu dient, eine gleichberechtigte Teilhabe der Eltern am Leben ihres Kindes sicherzustellen (Beschluss des 9. Zivilsenats des Saarländischen OLG vom 8...