Leitsatz (amtlich)
1. Entscheidet das Familiengericht unter Verstoß gegen Art. 111 Abs. 5 FGG-RG auf der Grundlage des vor dem 1.9.2009 geltenden Verfahrensrechts durch Urteil, so ist eine hiergegen beim OLG eingelegte Berufung trotz § 64 Abs. 1 FamFG nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz statthaft.
2. Die fehlerhafte Abtrennung von Folgesachen aus dem Scheidungsverbund kann nur mit einem Rechtsmittel gegen den Scheidungsausspruch bekämpft werden.
3. Die Berufung des die Abtrennung von Folgesachen erstrebenden Ehemannes darauf, dass seine neue Partnerin, mit der verlobt sei, ein Zusammenleben mit ihm davon abhängig mache, dass er geschieden sei und sie heirate, und die weitere Verzögerung der Scheidung die neue Beziehung gefährde, begründet für sich genommen noch keine unzumutbare Härte i.S.d. § 140 Abs. 2 S. 2 Nr. 5 FamFG.
Verfahrensgang
AG St. Wendel (Urteil vom 20.09.2010; Aktenzeichen 6 F 338/07 S) |
Tenor
1. Auf die als Beschwerde zu behandelnde Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des AG - Familiengericht - in St. Wendel vom 20.9.2010 - 6 F 338/07 S - mitsamt des ihm zugrunde liegenden Verfahrens unter Wiederherstellung des Scheidungsverbundes mit den anhängigen Folgesachen Versorgungsausgleich, Güterrecht und nachehelicher Unterhalt aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Familiengericht zurückverwiesen.
2. Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben.
Tatbestand
I. Der 1964 geborene Antragsteller und die 1963 geborene Antragsgegnerin, beide Deutsche, haben am 2.7.2001 die Ehe miteinander geschlossen. Aus der Ehe ist die Tochter geboren am 29.12.2001, hervorgegangen, die seit der Trennung der Beteiligten im November 2006 bei der Antragsgegnerin lebt.
Der Trennungsunterhalt wurde durch zwischen den Beteiligten am 7.7.2008 vor dem AG - Familiengericht - in St. Wendel geschlossenen Vergleich - 6 F 68/07 - geregelt, in dem sich der Antragsteller verpflichtete, an die Antragsgegnerin ab Juli 2008 einen Trennungsunterhalt von monatlich 249 EUR zu zahlen, nachdem dieser zuvor im Verfahren 6 F 68/07 EA Nr. I UE des Familiengerichts im Wege einstweiliger Anordnung, zuletzt - nach Abänderung - in selber Höhe tituliert worden war. Bezüglich des Trennungsunterhalts ist zurzeit beim Familiengericht das Abänderungsverfahren 6 F 192/10 UE anhängig.
Die Antragsgegnerin wendet sich dagegen, dass das Familiengericht die Ehe der Beteiligten vor Entscheidung über die Folgesachen Versorgungsausgleich, Zugewinnausgleich und nachehelicher Unterhalt geschieden hat.
Mit am 12.11.2007 eingegangenem und der Antragsgegnerin am 21.11.2007 zugestelltem Antrag hat der Antragsteller die Scheidung der Ehe begehrt.
Im Wege am 25.2.2008 eingereichter und am selben Tag vom Antragsgegner als zugestellt angenommener Verbundstufenklage hat die Antragsgegnerin den Antragsteller auf Zugewinnausgleich in Anspruch genommen; zuletzt hat sie beantragt, den Antragsteller zu verurteilen, die Vollständigkeit und Richtigkeit der von ihm im Rahmen des Zugewinnausgleichsverfahrens erteilten Auskunft an Eides Statt zu versichern, hilfsweise, den Antragsteller zu verurteilen, an die Antragsgegnerin einen Zugewinnausgleich von mindestens 2.500 EUR nebst Zinsen zu zahlen.
Mit weiterer, am 15.1.2009 eingegangener und am 19.1.2009 zugestellter Verbundstufenklage hat die Antragsgegnerin gegen den Antragsteller nachehelichen Unterhalt geltend gemacht, zuletzt hat sie gebeten, den Antragsteller vorbehaltlich der Erhöhung nach Auskunftserteilung und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu verurteilen, an die Antragsgegnerin einen monatlich im Voraus fälligen nachehelichen Unterhalt von 400 EUR nebst Zinsen auf entstehende Rückstände zu zahlen.
In den beiden letztgenannten Folgesachen ist der Antragsteller dem Begehren der Antragsgegnerin vollumfänglich entgegengetreten.
Zu dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht am 6.9.2010 gestellten Scheidungsantrag des Antragstellers und seinem Antrag auf Abtrennung aller Folgesachen hat sich die Antragsgegnerin dahin erklärt, dass sie nur im Scheidungsverbund geschieden werden wolle.
Mit Beschluss vom 20.9.2010, auf den Bezug genommen wird, hat das Familiengericht die Folgesachen Versorgungsausgleich, Güterrecht und nachehelicher Unterhalt nach § 628 S. 1 Nr. 4 ZPO abgetrennt. Das Scheidungsverfahren sei seit 21.11.2007 rechtshängig. Ab einer Verfahrensdauer von zwei Jahren liege eine außergewöhnliche Verfahrensdauer vor. Für den Antragsteller liege durch diese Verfahrensdauer eine unzumutbare Härte vor, da er beabsichtige, eine neue Ehe einzugehen. Außerdem sei nach seiner Ansicht der Trennungsunterhalt wesentlich zu hoch tituliert, weshalb die Antragsgegnerin die Scheidung verzögere.
Durch das angefochtene Urteil vom 20.9.2010, das in Bezug genommen wird, hat das Familiengericht die Ehe der Beteiligten geschieden.
Der Senat hat der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 16.12.2010 Verfahrenkosten...