Leitsatz (amtlich)

1. Der rechtsfehlerhafte Erlass eines Grundurteils stellt regelmäßig einen wesentlichen Verfahrensmangel dar. Verlangt ein Bieter von einem öffentlichen Auftraggeber wegen Nichterteilung des Zuschlags Esrsatz des entgangenen Gewinns, kann ein Grundurteil erst ergehen, wenn feststeht, dass der Zuschlag bei satzungsgemäßer Durchführung des Vergabeverfahrens dem Bieter hätte erteilt werden müssen.

2. Der öffentliche Auftraggeber trägt die Beweislast dafür, dass er zur Aufhebung der Ausschreibung berechtigt war. Demgegenüber obliegt dem Bieter der Beweis, dass ihm ohne die Pflichtverletzung des Auftraggebers der Auftrag erteilt worden wäre.

 

Normenkette

ZPO §§ 304, 538; VOB/A §§ 25-26

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 09.01.2003; Aktenzeichen 4 O 89/99)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 9.1.2003 verkündete Urteil des LG in Saarbrücken – 4 O 89/99 – einschl. des ihm zugrunde liegenden Verfahrens aufgehoben und die Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens vorbehalten bleibt.

2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

3. Der Wert der durch diese Entscheidung begründeten Beschwer der Parteien und der Streitwert des Berufungsverfahrenes werden auf jeweils 370.021,93 Euro (= 723.700 DM) festgesetzt.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beklagte zu 1), die Stadt B., und die Beklagte zu 2), die in der Rechtsform einer GmbH geführten Stadtwerke B., schrieben am 27.6.1998 die Baumaßnahme „Ausbau der Ortsdurchfahrt W.” in fünf Losen öffentlich aus (Bl. 14 d.A.). Los 1 betraf die Straßenbauarbeiten, Los 2 die Gehwegerneuerung, Los 3 die Kanalbauarbeiten, Los 4 die Wasserleitungsverlegung und Los 5 den Radwegbau. Ausweislich der Vorbemerkungen zu dem Auftrag war beabsichtigt, die Lose 1 bis 4 nicht getrennt zu vergeben, während eine gesonderte Vergebung von Los 5 in Betracht gezogen wurde. Bezüglich Los 4 wurde die VOB/A ausgeschlossen, weil sich die Beklagte zu 2) vorbehielt, vom wirtschaftlichsten Bieter nur die Erdarbeiten vornehmen zu lassen und die Wasserleitungsverlegungen selbst auszuführen (Bl. 199 d.A.). Eine von der Streithelferin zu 1) der Beklagten vor Auftragsvergabe erstellte Kostenberechnung ergab einen Auftragswert i.H.v. 5.266.819,38 DM.

Anlässlich der Submission vom 21.7.1998 erwies sich das Angebot der Firma L. mit 4.548.607,08 DM als das kostengünstigste Angebot der Ausschreibung. Das nächstniedrigste Angebot hatten die Klägerinnen mit 5.995.388,40 DM abgegeben. Daneben hatten die BG T. ein Angebot über 6.016.898,85 DM, die BG T. ein Angebot über 6.115.016,08 DM, die BG W. ein Angebot über 6.892.268,83 DM und die Firma St. ein Angebot über 7.644.847,04 DM abgegeben (Bl. 15 d.A.). Nach Prüfung der Angebote durch die Streithelferin zu 1) erklärte die Firma L., sich bei verschiedenen Positionen verkalkuliert zu haben und den Auftrag zu dem Angebotspreis nicht ausführen zu können. Daraufhin nahmen die Beklagten das Angebot der Firma L. aus der Wertung.

Durch Schreiben vom 23.7.1998 teilten die Beklagten den Klägerinnen mit, dass die Ausschreibung für das Bauvorhaben „Ausbau der Ortsdurchfahrt W.” aus schwerwiegenden Gründen aufgehoben wurde. Die Ausschreibung habe nicht das erwartete Ergebnis erbracht, weil ein angemessenes oder annehmbares Angebot nicht vorgelegen habe (Bl. 16 d.A.). Die Klägerinnen erwiderten den Beklagten durch Schreiben vom 28.7.1998, die Aufhebung der Ausschreibung sei für sie nicht nachvollziehbar, weil sie ein angemessenes und annehmbares Angebot eingereicht hätten (Bl. 17 f. d.A.). Außerdem wandten sich die Klägerinnen an die Vergabeprüfungsstelle beim Ministerium des Innern des Saarlandes. Die Vergabeprüfungsstelle erachtete durch Bescheid vom 17.9.1998 die Aufhebung der Ausschreibung als rechtswidrig und empfahl den Beklagten, den Auftrag im Wege der freiwilligen Vergabe den Klägerinnen zu erteilen (Bl. 30 ff. d.A.). Durch Schreiben ihres Rechtsanwalts, des Streithelfers zu 2), teilten die Beklagten den Klägerinnen am 7.10.1998 mit, die Aufhebung der Ausschreibung bewege sich im Rahmen des dem Ausschreibenden eröffneten Beurteilungsspielraumes. Etwaige Schadensersatzansprüche der Klägerinnen wurden zurückgewiesen (Bl. 37 d.A.).

Zwischenzeitlich schrieben die Beklagten das Bauvorhaben „Ausbau der Ortsdurchfahrt W.” am 22.7.1998 erneut aus (Bl. 23 d.A.). Bei der Submission vom 18.8.1998 wurde ein Angebot der Firma L. über 5.581.801,68 DM festgestellt, während sich das Angebot der Klägerinnen auf 5.807.756,50 DM belief (Bl. 24 ff. d.A.). Die Beklagten erteilten den Auftrag der Firma L. als günstigstem Bieter.

Mit vorliegender Klage nehmen die Klägerinnen die Beklagten in Höhe des ihnen bei Auftragserteilung entstandenen Gewinns auf Schadensersatz in Anspruch.

Die Klägerinnen haben vorgetragen, die Ausschreibung vom 27.6.1998 habe nicht aufgehoben werden dürfen, weil das von ihnen vorgelegte Angebot angemessen und annehmbar gewesen sei. Die von der Str...

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