Leitsatz (amtlich)

1. Durch einen Verkehrsunfall entstandene Sachverständigenkosten sind nicht ersatzfähig, wenn das Gutachten infolge nicht berücksichtigter Vorschäden unbrauchbar ist und der Geschädigte dies zu vertreten hat. Die Grundsätze zum Sachverständigenrisiko ändern hieran nichts.

2. Der Geschädigte hat die Unbrauchbarkeit des Gutachtens zu vertreten, wenn er es nach dem Erhalt des Gutachtens versäumt hat, den Sachverständigen auf einen von diesem nicht berücksichtigten Vorschaden hinzuweisen und auf eine Berichtigung bzw. Ergänzung des Gutachtens hinzuwirken, obwohl die Berücksichtigung des Vorschadens sich aus seiner Sicht aufdrängen musste.

 

Normenkette

BGB § 249; StVG § 7 Abs. 1; ZPO § 287

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 20.05.2022; Aktenzeichen 5 O 129/21)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 20.5.2022 - 5 O 129/21 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.047,93 EUR sowie weitere 367,23 EUR, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.11.2021, zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 71 % und die Beklagte 29 %.

III. Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger macht gegenüber der Beklagten Schadensersatzansprüche aufgrund eines Verkehrsunfalls am 28.6.2021 in ... geltend. Dabei stieß der Fahrer des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Kraftfahrzeugs beim Rückwärtsfahren aus einer Einfahrt gegen das Heck des Kraftfahrzeugs des Klägers. Die Alleinhaftung der Beklagten für das Unfallereignis steht außer Streit. Das Klägerfahrzeug war bereits bei einem Unfall am 5.4.2019 im Heckbereich beschädigt worden.

Der Kläger hat mit der Behauptung, der Vorschaden sei fachgerecht beseitigt worden, Schadensersatz in Höhe von 7.048,98 EUR (fiktive Reparaturkosten 5.129,27 EUR, Wertminderung 500 EUR, Nutzungsausfall 350 EUR, Sachverständigenkosten 1.043,71 EUR, Kostenpauschale 26 EUR) sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten von 800,39 EUR jeweils nebst Zinsen beansprucht.

Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil (Bl. 138 GA), auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klageziel weiter. Hilfsweise beantragt er die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Der Senat hat ein Gutachten des Sachverständigen ... eingeholt (Bl. 295 GA).

Wegen des Sach- und Streitstands im Berufungsverfahren im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte gemäß § 7 Abs. 1 StVG in Verbindung mit § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG ein Schadenersatzanspruch in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe zu.

1. Das Fahrzeug des Klägers wurde durch das Unfallereignis, für das die Beklagte unstreitig in vollem Umfang einzustehen hat, im Sinne von § 7 Abs. 1 StVG beschädigt.

a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass der Geschädigte nach allgemeinen Regeln das Entstehen und den Umfang eines Sachschadens im Sinne von § 7 Abs. 1 StVG darzulegen und zu beweisen hat. Dabei bleibt es auch, wenn der Schädiger bzw. sein Haftpflichtversicherer - wie hier die Beklagte - den Umfang oder die Höhe des geltend gemachten Schadens bestreitet mit der Behauptung, der Gegenstand sei bereits durch ein früheres Ereignis beeinträchtigt worden (BGH, Beschluss vom 15.10.2019 - VI ZR 377/18, Rn. 8, juris). Der Kläger muss dann darlegen und beweisen, welcher Schaden (abgrenzbar) auf das spätere Schadensereignis zurückzuführen ist. Das schließt je nach Lage des Falles die Notwendigkeit von Darlegungen dazu ein, dass und auf welche Weise ein Vorschaden beseitigt wurde. Sowohl die Darlegung als auch die Beweisführung werden dem Geschädigten durch § 287 ZPO erleichtert (BGH, Beschluss vom 6.6.2023 - VI ZR 197/21, Rn. 13, juris). Danach muss für die Ersatzfähigkeit eines mit dem späteren Schadensereignis kompatiblen Schadens mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auszuschließen sein, dass dieser Schaden bereits durch das Vorschadensereignis entstanden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 30.1.2024 - 3 U 68/23 [n.v.]; Saarl. OLG, Urteil vom 17.2.2022 - 4 U 94/21, Rn. 24 f., juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 9.3.2021 - 1 U 72/20, Rn. 41, juris).

b) Der Kläger hat als Reaktion auf das von der Beklagten vorgelegte Schadensgutachten des Kfz-Sachverständigen ... vom 9.4.2019 eingeräumt, das Fahrzeug sei bereits am 5.4.2019 im Heckbereich beschädigt worden, als es zu einem leichten Anstoß durch ein rangierendes Fahrzeug gekommen sei. Dieser Schaden sei indes deutlich geringer gewes...

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