Leitsatz (amtlich)

Eine Bank treffen auch bei telefonischer Order von Aktien Aufklärungspflichten nach § 31 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 WpHG, wenn der zuvor bereits allgemein über die mit dem Erwerb von Aktien verbundenen Risiken aufgeklärte Kunde in erheblichem Umfang von seinem bisherigen Risikoprofil abweicht und dies für ihren die Kauf Ortner entgegennehmenden Mitarbeiter offensichtlich war.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 30.08.2005; Aktenzeichen 4 O 250/03)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das am 30.8.2005 verkündete Urteil des LG Saarbrücken - 4 O 250/03 - wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten (wegen der Kosten) durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, es sei denn, die Beklagte leistet zuvor Sicherheit in gleicher Höhe.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Beratung anlässlich des Erwerbs von insgesamt 4.935 Stück Intershop-Aktien zu einem Gesamtkaufpreis von 85.306 EUR Zug um Zug gegen Übertragung dieser Aktien geltend.

Der Kläger eröffnete am 21.2.2000 bei der Beklagten, seiner Hausbank, ein Wertpapierdepot, nachdem er zuvor mit dem Zeugen M., der zu diesem Zeitpunkt als Individualkundenbetreuer in der Filiale der Beklagten arbeitete, gesprochen hatte. Im Anschluss zeichnete der Kläger Infineon - Aktien, erhielt jedoch in der Folge keine Zuteilung. Der Zeuge M. fertigte einen Kundenbogen über die Anlageberatung (Bl. 35 ff.), in dem er den Kläger als risikobewusst (Risikoklassen 3 und 4) einstufte. Am 17.3.2000 unterzeichnete der Kläger eine Vereinbarung über die Teilnahme am ...-Bank-Orderline Verfahren (Bl. 11 f. = 39 f.), wobei der Kläger auf eine seine persönlichen Verhältnisse berücksichtigende Anlageberatung verzichtete.

Der Kläger, der zunächst Contron - Aktien erworben, diese dann aber wieder verkauft hatte (Bl. 153), orderte folgende Aktien des Wertes Intershop telefonisch über die Wertpapierabteilung der Beklagten:

9.10.2000 540 Stück zu46,90 EUR

17.10.2000 200 Stück zu 49 EUR

24.10.2000 170 Stück zu 60 EUR

17.11.2000 125 Stück zu 40 EUR

2.1.2001 1.900 Stück zu 13,20 EUR

19.3.2001 2.000 Stück zu 4,95 EUR

Der Kläger hat die Beklagte auf Zahlung seiner Investitionskosten i.H.v. 85.306 EUR Zug um Zug gegen Rückgabe der Intershop Aktien in Anspruch genommen mit der Begründung, die Beklagte habe ihm pflichtwidrig zum Erwerb von Intershop Aktien geraten, obwohl ihr bekannt gewesen sei, dass er nicht habe spekulieren und hohe Risiken zur Gewinnoptimierung eingehen, sondern sein Geld relativ sicher habe anlegen wollen. Auch auf spätere Nachfrage, wie er auf den gestiegenen Kurs von 60 EUR reagieren solle, habe man ihm ausdrücklich vom Verkauf der Aktien abgeraten und darauf hingewiesen, dass diese durchaus nochmals steigen könnten, weshalb er im Oktober und November 2000 nochmals Aktien nachgekauft habe. Während eines etwa 10minütigen Telefonats am 2.1.2001 habe man ihm auf seine Frage erneut ausdrücklich zum Nachkauf geraten.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten mit der Behauptung, der Zeuge M. habe lediglich wegen des Kaufs und der Zeichnung von Infineon Aktien und hier speziell über die Anlageform Aktien mit dem Kläger gesprochen. Der Kauf und die Nachkäufe von Intershop Aktien beruhten auf eigenverantwortlichen Entscheidungen des Klägers.

Durch das angefochtene Urteil (Bl. 208 ff.), auf dessen tatsächliche und rechtliche Feststellungen vollumfänglich gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das LG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe schon nicht nachweisen können, dass ein Beratungsvertrag mit der Beklagten betreffend den Erwerb von Intershop Aktien zustandegekommen sei. Ein Beratungsvertrag sei allenfalls konkludent am 21.2.2000 aus Anlass des Erwerbs und der Zeichnung von Infineon Aktien geschlossen worden. Eine schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten in Form der unterlassenen Aufklärung beziehungsweise fehlerhaften Beratung sei in diesem Zusammenhang jedoch nicht erwiesen. Jedenfalls wäre eine solche nicht ursächlich für den Erwerb von Intershop Aktien im Zeitraum von Oktober 2000 bis Januar 2001 gewesen. Der Kläger könne auch keine Schadensersatzansprüche aus dem mit der Beklagten am 21.2.2000 geschlossenen Depotvertrag herleiten, da aus diesem eine Beratungspflicht nur bei einer gesonderten Vereinbarung folge.

Dass es vor dem Ankauf der jeweiligen Aktienkäufe im Zeitraum Oktober 2000 bis Januar 2001 weitere Beratungsgespräche gegeben habe, stehe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht fest. Der Zeuge M. habe ein Beratungsgespräch mit dem Kläger über den Ankauf der Intershop Aktien nicht bestätigt. Soweit der Zeuge M. möglicherweise im Rahmen eines Privatgesprächs mit dem Zeugen K. im Beisein des Klägers über die Intershop Aktie gesprochen habe, liege kein der Beklag...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge