Leitsatz (amtlich)

Die Haftungsbeschränkung des § 106 Abs. 3 SGB VII greift nicht ein, wenn sich die Arbeitsanteile der bei verschiedenen Unternehmen beschäftigten Versicherten nur zufällig berühren.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 20.06.2003; Aktenzeichen 14 O 248/02)

 

Tenor

I. Die Erstberufung des Klägers und die Zweitberufung des Beklagten zu 1) gegen das am 20.6.2003 verkündete Urteil des LG Saarbrücken - Az. 14 O 248/02 - werden zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 20 % und der Beklagte zu 1) 80 %.

III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

A. Am 8.1.2001 kam es gegen 10.45 Uhr auf dem Betriebsgelände der früheren Beklagten zu 2) - der Firma M. GmbH, über deren Vermögen zwischenzeitlich das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist - zu einem Unfall, als der Beklagte zu 1), ein Mitarbeiter der Firma M. GmbH, beim Rückwärtsfahren mit einem Gabelstapler den Kläger erfasste und verletzte. Der Kläger war Mitarbeiter der Firma Z. & S. und von dieser beauftragt, mit einem Lkw der Firma Z. & S. bei der Beklagten zu 2) Material anzuliefern. Als der Kläger den Lkw in der Firma der Beklagten zu 2) abgestellt, die Schiebplane geöffnet hatte und ins Büro gehen wollte, kam es zu dem streitgegenständlichen Unfall.

Der Kläger hat mit der vorliegenden Klage ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 10.000 Euro, nebst Zinsen geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, dass die Voraussetzungen eines Haftungsausschlusses nach § 106 Abs. 3 SGB VII, worauf sich der Beklagte zu 1) berufen hat, nicht vorlägen und dass der Beklagte zu 1) die Verletzung des Klägers durch Unachtsamkeit beim Rückwärtsfahren verschuldet habe. Die zunächst auch gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Klage hat der Kläger später wieder zurückgenommen (Bl. 34 d.A.).

Der Beklagte zu 1) hat sich dagegen auf den Haftungsausschluss nach § 106 Abs. 3 SGB VII berufen mit im Wesentlichen der Begründung, dass der Kläger in den Betrieb der Beklagten zu 2) integriert gewesen sei, weil er am Unfalltag Material angeliefert habe, das von Mitarbeitern der Beklagten zu 2) hätte entladen werden sollen (Bl. 23 d.A.). Der Beklagte zu 1) hat ferner die Schwere der vom Kläger behaupteten Verletzungen bestritten und die Auffassung vertreten, den Unfall nicht verschuldet zu haben.

Das LG hat nach Anhörung der Parteien (Bl. 25 f. d.A.) durch das am 20.6.2003 verkündete Urteil - Az. 14 O 248/02 - den Beklagten zu 1) unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld i.H.v. 8.000 Euro nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach DÜG vom 26.5.2001 bis zum 31.12.2001 sowie i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 288 BGB seit dem 1.1.2002 zu zahlen. Es hat einen Haftungsausschluss nach § 106 Abs. 3 SGB VII auf Grund einer gemeinsamen Betriebsstätte verneint. Zwar habe der Beklagte zu 1) den vom Kläger gefahrenen Lkw entladen sollen. Im Zeitpunkt des Unfalles sei er jedoch noch mit anderen und nicht mit dem Abladevorgang in Verbindung stehenden Arbeiten beschäftigt gewesen, so dass die beiderseitigen Tätigkeiten beziehungslos nebeneinander gestanden hätten. Der Beklagte zu 1) habe die Verletzung des Klägers verschuldet, weil er beim Rückwärtsfahren nicht genügend aufmerksam gewesen sei. Allerdings müsse sich der Kläger ein Mitverschulden von 1/5 anrechnen lassen, weil er auf das Rangieren des Staplers hätte achten müssen. Unter Berücksichtigung der Verletzungsfolgen sei ein Schmerzensgeld von 8.000 Euro angemessen.

Gegen dieses Urteil richten sich die Erstberufung des Klägers und die Zweitberufung des Beklagten zu 1). Während der Kläger die Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes (insgesamt mindestens 10.000 Euro) verlangt, möchte der Beklagte zu 1) die volle Abweisung der Klage erreichen.

Der Kläger rügt eine unrichtige Beweiswürdigung des LG, das keine Feststellungen für ein angebliches Mitverschulden des Klägers getroffen habe. Das zuerkannte Schmerzensgeld sei mit 8.000 Euro zu niedrig bemessen worden.

Der Kläger beantragt,

1. unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu 1) zu verurteilen, an den Kläger ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens aber 10.000 Euro, nebst 5 % Punkten über dem Basiszinssatz sei dem 26.5.2001 zu zahlen,

2. die Berufung des Beklagten zu 1) zurückzuweisen.

Der Beklagte zu 1) beantragt,

1. die Berufung des Klägers zurückzuweisen,

2. unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage in vollem Umfange abzuweisen.

Er rügt, dass das LG die Anwendbarkeit des § 106 SGB VII zu Unrecht verneint habe. Er ist der Ansicht, dass der Kläger vollständig in den Produktionsbetrieb der früheren Beklagten zu 2) integriert gewesen sei. Obwohl der Kläger Mitarbeiter der Firma Z. & S. gewesen sei, habe er ausschließlich Arbeiten für die Beklagte zu 2) ausgeführt. Außerdem sei der Beklagte zu 1) im Augenblick des Schadensfalles damit befasst gewesen, Vorarbeiten für die...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge