Leitsatz (amtlich)

Ein Scheingesellschafter haftet nicht in analoger Anwendung des § 130 HGB für solche Altverbindlichkeiten der BGB-Gesellschaft, die vor Setzung des Rechtsscheins einer Gesellschafterstellung entstanden sind.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 14.02.2005; Aktenzeichen 9 O 131/04)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten zu 4) wird das am 14.2.2005 verkündete Urteil des LG Saarbrücken - 9 O 131/04 - teilweise dahingehend abgeändert, dass die Klage gegen die Beklagte zu 4) abgewiesen wird.

II. Die Kosten erster Instanz werden wie folgt verteilt:

Der Kläger trägt ¼ der Gerichtskosten und seiner eigenen außergerichtlichen Kosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 4). Die Beklagten zu 1) bis 3) tragen ¾ der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten des Klägers als Gesamtschuldner sowie ihre eigenen außergerichtlichen Kosten.

III. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten zu 4) durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, es sei denn, die Beklagte zu 4) leistet zuvor Sicherheit in gleicher Höhe.

V. Die Revision wird wegen der Frage der Anwendbarkeit des § 130 HGB analog auf den Scheingesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zugelassen.

 

Gründe

A. Der Kläger erlitt 1993 einen Verkehrsunfall und beauftragte die Anwaltsgemeinschaft S. und K. mit der Wahrnehmung seiner Interessen ggü. der X. Versicherung. Diese zahlte am 20.1.1994 1.533,88 EUR, am 17.2.1994 1.022,58 EUR und am 19.3.1996 10.225,84 EUR zu Händen der Anwaltsgemeinschaft. Eine abschließende Abfindungszahlung über 22.000 EUR erfolgte am 19.2.2003. An den Kläger weitergeleitet wurden 5.112,92 EUR und an dessen Betreuerin am 16.12.2003 2.000 EUR sowie am 29.12.2003 weitere 12.000 EUR.

Die Beklagte zu 4), die zunächst als freie Mitarbeiterin und ab 1.1.1999 als angestellte Rechtsanwältin tätig war, wurde seit Ende 1998 auf dem Briefkopf der Anwaltsgemeinschaft als Rechtsanwältin aufgeführt.

Mit seiner Klage verlangte der Kläger zunächst von der Anwaltsgemeinschaft als Gesellschaft bürgerlichen Rechts und den Rechtsanwälten S. und H. persönlich als deren Gesellschafter Auszahlung des noch ausstehenden Restbetrages von 14.135,50 EUR nebst Zinsen. Später erweiterte er die Klage auf die Beklagte zu 4) mit der Begründung, sie hafte für die Auszahlung des Geldes jedenfalls aus Rechtsscheinsgrundsätzen.

Durch das angefochtene Urteil (Bl. 63 ff.), auf dessen tatsächliche und rechtliche Feststellungen vollumfänglich gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das LG der Klage gegen alle vier Beklagten stattgegeben. Sie seien aufgrund des mit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts geschlossenen Anwaltsvertrages aus positiver Vertragsverletzung i.V.m. §§ 675, 667 BGB, 128 HGB analog verpflichtet, das im Rahmen des Mandats erhaltene Geld an den Kläger auszuzahlen. Diese Verpflichtung treffe auch die Beklagte zu 4), die zwar nicht in die Gesellschaft bürgerlichen Rechts eingetreten sei, die aber aufgrund der Gestaltung des Briefkopfs der Kanzlei den Anschein erweckt habe, sie sei deren Mitglied. Mit ihrem (scheinbaren) Eintritt in die GbR sei sie in das mit dem Kläger bestehende Mandat einbezogen worden, was sich aus einer Auslegung des mit diesem geschlossenen Anwaltsvertrages ergebe. Es handele sich vorliegend auch nicht um eine Altverbindlichkeit, denn die Abschlusszahlung der X. Versicherung, deren Weiterleitung an den Kläger pflichtwidrig unterblieben sei, sei erst am 19.2.2003 und damit lange nach dem (scheinbaren) Eintritt der Beklagten zu 4) geleistet worden.

Gegen dieses Urteil hat nur die Beklagte zu 4) Berufung eingelegt, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Bei Abschluss des Anwaltsvertrages 1993 sei sie noch nicht - auch nicht scheinbar - Mitglied der Sozietät gewesen. Sie habe später auch nicht in das bestehende Mandatsverhältnis einbezogen werden sollen. Hieran hätten weder sie selbst noch der Kläger ein Interesse gehabt. Sie sei auf dem Briefkopf nämlich gerade nicht als Fachfrau für Verkehrs-Unfall-Regulierung genannt. Zudem habe das Mandatsverhältnis bereits seit Jahren bestanden. Schließlich habe das LG auch nicht festgestellt, wann und wie die Beklagte zu 4) ggü. dem Kläger einen Rechtsschein gesetzt haben sollte. Dies lasse sich auch dem Vortrag des Klägers nicht entnehmen.

Bei der geltend gemachten Forderung handele es sich um eine Altverbindlichkeit, weil die Verpflichtung zur Weiterleitung von eingehenden Geldbeträgen bereits im Zeitpunkt der Vollmachtserteilung bestanden habe. Deshalb müsse ihr auch der vom BGH ausgesprochene Vertrauensschutz zu Gute kommen, da sie schon gar keine Gesellschafterin gewesen sei und nur aus Rechtsscheinsgrundsätzen hafte.

Die Beklagte zu 4) beantragt (Bl. 93, 125), unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die Klage gegen die Beklagte zu 4) abzuweisen.

Der Kläger beantragt (Bl. 105, 12...

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