Leitsatz (amtlich)
Der vom Versicherungsnehmer zu führende Nachweis, dass Berufsunfähigkeit in versicherter Zeit eingetreten ist, kann erbracht sein, wenn vorhandene, zur Berufsunfähigkeit führende strukturelle Schäden - hier: an der Wirbelsäule - nach sachverständiger Einschätzung ebenso gut schon bei Vertragsschluss vorhanden gewesen sein können wie es möglich ist, dass sie nicht vorgelegen haben, daraus resultierende Beschwerden trotz schwerer körperlicher Arbeit aber erst rund 1 1/2 Jahre nach Vertragsschluss aufgetreten sind und dem Versicherungsnehmer geglaubt werden kann, dass er vor und bei Vertragsschluss keine Beschwerden hatte und seine Tätigkeit auch ohne Einschränkungen ausgeübt hat.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Aktenzeichen 14 O 298/13) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 20.6.2017 - Az: 14 O 298/13 - wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Dieses Urteil und das mit der Berufung angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 143.572,08 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von der Beklagten Leistungen aufgrund behaupteter Berufsunfähigkeit.
Der Kläger war als selbstständiger Schlosser tätig. Er unterhält seit dem 1.1.2010 bei der Beklagten eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (Blatt 15 der Akten). Die vereinbarte monatliche Rente ab dem 1.1.2011 beträgt 1.573,17 EUR. Der zu zahlende Beitrag beläuft sich ab diesem Zeitpunkt auf 208,77 EUR. Dem Vertrag liegen die Besonderen Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (B 08) - Blatt 28 der Akten - zugrunde.
Der Kläger hatte am 14.12.2009 einen Versicherungsantrag (Blatt 34 der Akten) in Gegenwart des Zeugen B., eines Versicherungsvertreters der Beklagten, unterzeichnet, in dem das jährliche Netto-Erwerbseinkommen innerhalb der letzten 12 Monate mit 18.000,00 EUR angegeben war, und eine weitere Erklärung vom 12.1.2010 (Blatt 40 der Akten) unterzeichnet, in der das jährliche Netto-Erwerbseinkommen mit 28.000,00 EUR angegeben war. Der Zeuge B. änderte im ursprünglichen vom Kläger unterschriebenen Antrag das Endalter, die Beitragszahlungsdauer, die Versicherungsdauer und die Versicherungssumme ab, bevor er den Antrag bei der Beklagten einreichte (Vergleich zwischen Anlage K5 und Anlage K7).
Anfang 2013 beantragte der Kläger Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Der Kläger gab für das Jahr 2009 ein jährliches Nettoeinkommen in Höhe von 10.483 EUR an. Mit Schreiben vom 1.3.2013 (Blatt 54 der Akten) erklärte die Beklagte die Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen angeblicher Falschangaben zum Einkommen, hilfsweise den Rücktritt bzw. verlangte eine rückwirkende Vertragsanpassung auf eine jährliche Rente in Höhe von 12.000,00 EUR.
Der Kläger hat behauptet, er habe dem Zeugen B. gesagt, dass er in den letzten Jahren nicht viel verdient habe, weil er viel investiert habe. Er habe dabei geäußert, dass er sein künftiges Einkommen auf ca. 18.000 EUR im Jahr schätze. Diese Zahl habe der Zeuge B. dann als jährliches Erwerbseinkommen eingetragen. Einige Zeit später habe ihm der Zeuge B. erklärt, dass die Angaben im Versicherungsantrag "nicht passen" würden, habe erklärt, die Abzahlungen auf die Werkhalle könnten dem Erwerbseinkommen hinzugezählt werden, sodass dieser Betrag im Antrag auf 28.000,00 EUR erhöht werden könne.
Der Kläger hat weiter behauptet, er leide an einer massiven Lumboischialgie mit Bandscheibenvorfall und Nervenwurzelreizung, degenerativen Veränderungen der Bandscheiben und teilweise Imprimierung des Spinalkanals. Er habe Schmerzen im Bereich der gesamten Wirbelsäule, die bis in die Füße und Schultern ausstrahlten. Die Beschwerden hätten am 14.6.2011 begonnen. An diesem Tag habe er auf einer Baustelle plötzlich starke Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule gespürt. Behandlungen ab diesem Zeitpunkt, auch eine Reha-Behandlung vom 19.9.2012 bis 10.10.2012, hätten zu keiner Besserung geführt. Seit dem 12.12.2011 sei er arbeitsunfähig. Bis Februar 2013 habe er Krankentagegeld erhalten. Diese Leistung sei dann eingestellt worden, weil ein Gutachter Berufsunfähigkeit festgestellt habe.
Zu seiner Berufstätigkeit hat der Kläger behauptet, er habe keine Angestellten. Für Arbeiten, die er nicht alleine habe bewältigen können, habe er selbstständige Subunternehmer hinzugezogen. Er habe Geländer, Fenstergitter, Balkone, Treppen und Vordächer hergestellt. Dazu habe er Metallteile zuschneiden, zusammenschweißen, beizen, schleifen, polieren, auf Anhänger laden und montieren müssen. Seine Arbeit habe zu 60 % aus Werkstattarbeit und zu ca. 20-30 % aus Montagetätigkeit auf Baustell...