Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorläufige Unterbringung nach dem PsychKG des Landes Schleswig-Holstein, Feststellung der Rechtswidrigkeit, Eigen- und Fremdgefährdung, Anforderungen an die Gefahrenlage, Ursächlichkeit des psychischen Defektzustands, Bewertung von Todesdrohungen
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Gefahrenlage i.S.d. § 7 PsychKG setzt voraus, dass der Schadenseintritt - über seine bloße Möglichkeit hinaus - in überschaubarer Zukunft hinreichend wahrscheinlich ist oder wegen der Unberechenbarkeit des Betroffenen zwar unvorhersehbar, aufgrund besonderer Umstände aber jederzeit zu erwarten ist.
2. Dabei muss die Gefährdungssituation gerade durch den psychischen Defektzustand des Betroffenen verursacht worden sein. Die Vorschriften des PsychKG dienen der Unterbringung von kranken Personen, nicht hingegen der allgemeinen Vermeidung von Gefahrenlagen.
3. Bei einer ernsthaften, einer konkreten Person geltenden Todesdrohung des Betroffenen darf regelmäßig nicht abgewartet werden, bis sich die Gefahr für das betroffene Rechtsgut verdichtet hat und dann unter Umständen nicht mehr kontrollierbar ist.
4. Bei der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer erledigten freiheitsentziehenden Maßnahme ist allein auf die objektive Rechtslage, nicht hingegen auf den Erkenntnishorizont des mit der Sache befassten Gerichts abzustellen. Eine vorläufige Unterbringung ist auch dann als rechtmäßig anzusehen, wenn sich das Vorliegen einer konkreten Eigen- oder Fremdgefährdung erst im Nachhinein aufgrund neuer Tatsachen herausstellt.
Normenkette
PsychKG § 7; FGG §§ 12, 15, 69 f., §§ 70, 70h
Verfahrensgang
Tenor
Der Beschluss wird aufgehoben; die Sache wird an das LG zurückverwiesen.
Gründe
I. Der Betroffene begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Unterbringungsmaßnahme.
Der Betroffene betreibt eine Rinderhaltung. Seit dem Jahre 2002 besteht zwischen ihm und dem Veterinär- und Lebensmittelamt P. Streit wegen der nach § 24d ViehVerkVO erforderlichen Kennzeichnung der Tiere. Der Betroffene vertritt die Auffassung, dass diese Kennzeichnung einer artgerechten Haltung zuwiderlaufe und überdies die Gefahr bestehe, dass die Tiere nach der Markierung so verstört seien, dass sie ihn persönlich gefährdeten. Die Rinder seien bereits anhand von Fotos identifizierbar.
Nachdem der Betroffene sämtliche Verfügungen des Veterinär- und Lebensmittelamts P., seine Rinder mit zwei Ohrenmarken zu kennzeichnen und die erforderlichen Untersuchungen gegen Rinderleukose und Brucellose durchzuführen ignoriert hatte, ordnete das Amt für Sicherheit und Ordnung, Veterinärwesen und Kommunalaufsicht mit Bescheid vom 17.5.2005 insoweit die Ersatzvornahme an. Diese wurde am 26.5.2005 durchgeführt. Zugegen waren u.a. der Amtstierarzt Dr. K., die Amtsärztin Dr. P., Mitarbeiter des Beteiligten und der Veterinärbehörde sowie Polizeibeamte. Der Betroffene hielt sich im Obergeschoss seines Hauses auf. Auf Klingeln, Klopfen und Rufen der Anwesenden reagierte er nicht. Diese riefen seine getrenntlebende Ehefrau herbei, die ihnen Zutritt in das Haus verschaffte. Dort trafen sie den Betroffenen in seinem Schlafzimmer an. Dieser reagierte ggü. dem Amtstierarzt ungehalten, ließ ihn kaum zu Wort kommen und pöbelte laut. Der Amtstierarzt verließ daraufhin das Haus, um die angekündigte Ersatzvornahme an den Rindern mit Hilfe der anwesenden Tierärzte und Landwirte durchzuführen.
Die übrigen Anwesenden begaben sich mit dem Betroffenen in dessen Wohnzimmer. Sie versuchten in den nunmehr folgenden 30 bis 45 Minuten, mit ihm die Gesamtsituation zu erörtern und beschwichtigend auf ihn einzuwirken. Gegen 10:10 Uhr entschied die Amtsärztin Dr. P., dass eine richterliche Vorführung zwecks Herbeiführung einer Entscheidung über die Einweisung in das Landeskrankenhaus erforderlich sei. Der Betroffene erklärte daraufhin, dass er nicht freiwillig mitgehen und Gewalt anwenden werde, sobald einer der Anwesenden ihn anfassen sollte. Der Polizeibeamte N. versuchte, an die Vernunft des Betroffenen zu appellieren, verdeutlichte ihm aber, dass auf jeden Fall seine richterliche Vorführung veranlasst werde. In der Strafanzeige des Polizeibeamten heißt es u.a.:
"Trotz mehrerer eindeutiger Gesten meinerseits, wie das Abnehmen meiner Armbanduhr und das Beiseitestellen einiger zerbrechlicher Gegenstände machte Herr S. keine Anstalten, sich von seinem Stuhl zu erheben."
Die Beamten fassten den Betroffene daraufhin an den Armen, legten ihm - nachdem er heftige Gegenwehr leistete - unter großer Kraftanstrengung Handfesseln an und verbrachten ihn voll fixiert im Polizeifahrzeug zum AG Plön Nachdem der Beteiligte die Unterbringung des Betroffenen in einem psychiatrischen Krankenhaus beantragte hatte, hörte das AG Plön diesen an; die Amtsärztin erstattete ein Sachverständigengutachten, in dem es u.a. heißt:
"Es gab verbal aggressive Auseinandersetzungen, die sich im Wesentlichen um die Problematik der Markierung ...