Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungsgeld bei zweitem Verstoß gegen Verbotsverfügung
Leitsatz (amtlich)
1. Ein "kerngleicher" Verstoß gegen eine Verbotsverfügung kann nicht mit semantischen Spitzfindigkeiten in Frage gestellt werden, die eher darauf abzielen, die Grenzen des verbotenen Verhaltens auszutesten als den "Kerngehalt" der einstweiligen Verfügung zu befolgen.
2. Wird es verboten, ein bestimmtes Verhalten "vorzunehmen oder vornehmen zu lassen", hat die Schuldnerin dafür zu sorgen, dass das Verbot in dem von ihr beeinflussten und beeinflussbaren (Werbe-)Bereich auch beachtet wird. Dem entsprechend müssen das eigene Personal ebenso wie beauftragte Dritte schriftlich über das bestehende Verbot informiert werden. Dabei muss ihnen unmissverständlich und mit dem notwendigen Nachdruck vor Augen geführt werden, dass und wie das Verbot einzuhalten ist. Zudem muss die Einhaltung durch geeignete Maßnahmen überwacht werden.
3. Bei einem zweiten Verstoß in einer wirtschaftlich bedeutsamen Sache ist ein Ordnungsgeld von 20.000 EUR nicht unangemessen.
Normenkette
ZPO § 890 Abs. 1, § 891; UWG § 13 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Kiel (Beschluss vom 23.11.2004; Aktenzeichen 16 O 70/03 SH-II) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des LG Kiel - Kammer für Handelssachen III - vom 23.11.2004 wird zurückgewiesen.
Die Schuldnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Streitwert von 20.000 EUR.
Tatbestand
Die Gläubigerin hat eine rechtskräftige einstweilige Verfügung erwirkt, mit der es der Schuldnerin u.a. verboten wurde, einen Vergleich zwischen ihren Telefontarifen und denen der der Schuldnerin vorzunehmen oder vornehmen zu lassen, bei dem "die für die [Gläubigerin] angegebenen Tarife nicht den von der [Gläubigerin] aktuell geforderten Tarifen entsprechen, weil der ... Tarifbereich-City nicht berücksichtigt" wird.
Unter Bezugnahme auf eine Werbeaktion am 14.4.2004 verhängte das LG gegen die Schuldnerin ein Ordnungsgeld i.H.v. 20.000 EUR. Die dagegen erhobene sofortige Beschwerde blieb ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
I. Die Gläubigerin hat am 30.6.2003 eine rechtskräftige einstweilige Verfügung beim LG Kiel erwirkt, mit der es der Schuldnerin u.a. verboten wurde, einen Vergleich zwischen ihren Tarifen und der "MobilCom" bzw. denen der Schuldnerin vorzunehmen oder vornehmen zu lassen, bei dem "die für die [Gläubigerin] angegebenen Tarife nicht den von der [Gläubigerin] aktuell geforderten Tarifen entsprechen, weil der ... Tarifbereich-City nicht berücksichtigt" wird.
Unter Bezugnahme auf eine Werbeaktion am 14.4.2004 beantragte die Gläubigerin die Verhängung eines Ordnungsgeldes. Durch Beschluss des LG vom 23.11.2004 wurde gegen die Schuldnerin ein Ordnungsgeld i.H.v. 20.000 EUR ersatzweise Ordnungshaft (...), verhängt.
Gegen den am 29.11.2004 zugestellten Beschluss hat die Schuldnerin am 15.12.2004 sofortige Beschwerde erhoben; das LG hat dieser nicht abgeholfen.
Die Schuldnerin ist der Ansicht, sie habe gegen den "Kern" der einstweiligen Verfügung nicht schuldhaft verstoßen. Das Ordnungsgeld sei überhöht.
II. Die nach § 793 i.V.m. §§ 890 Abs. 1, 891, §§ 567 ff. ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, insb. rechtzeitig (§ 569 Abs. 1 ZPO) eingelegt. Sie ist unbegründet, weil das festgesetzte Ordnungsgeld im Hinblick auf den Vorfall am 14.4.2004 sachlich gerechtfertigt und auch nicht überhöht ist.
Die Einwände der Schuldnerin gegen das Vorliegen eines "kerngleichen" Verstoßes und eines Organisationsverschuldens vermitteln insgesamt den Eindruck, dass es eher darum geht, durch semantische Spitzfindigkeiten und "salvatorische" Rundschreiben an sog. Vertriebspartner die Grenzen des verbotenen Verhaltens auszutesten als den "Kerngehalt" der einstweiligen Verfügung zu befolgen. Dieser Eindruck wird verstärkt durch das vorangegangene Verfahren über den Ordnungsmittelantrag zu den Vorfällen vom 13. und 23. August sowie vom 22.9.2003 (OLG Schleswig, Beschl. v. 20.4.2004 - 6 W 13/04), in dem aus geringen und unwesentlichen Textabweichungen abgeleitet werden sollte, dass die inkriminierten Handlungen vom Verbotstatbestand der einstweiligen Verfügungen nicht erfasst werden.
Der "Kerngehalt" der Verbotsverfügung vom 30.6.2003 ist durch den Vorfall vom 14.4.2004 verletzt worden. Eine (gar) "erhebliche" Abweichung des an diesem Tag verwendeten Flyers vom Verbot, den Tarifvergleich mit Tarifen vorzunehmen, die nicht den von der Gläubigerin aktuell geforderten Tarifen entsprechen, ist nicht festzustellen. Die Gläubigerin weist zu Recht darauf hin, dass ihr "City"-Tarif erneut nicht berücksichtigt worden ist und mit dem unklaren Begriff "Deutschlandverbindungen" jedenfalls verborgen bleibt, ob damit der in den Tarifen der Telekom mit "City" und "Deutschland" bezeichnete Tarifbereich gemeint sein soll. Die Ansicht der Schuldnerin, nicht jeder Tarifvergleich, der die Nahbereichstarife der Gläubigerin ausklammere, sei dem "Kernbereich" der Verbotsverfügung zuzuordnen (S. 3 der Beschwerdeschrift, zu b), geh...