Leitsatz (amtlich)
1999 erhobene Ansprüche auf einen materiellen und immateriellen Ausgleich wegen in Deutschland abgenötigter Zwangsarbeit sind grundsätzlich verjährt.
Orientierungssatz
Verjährung von Ausgleichsansprüchen ehemaliger Zwangsarbeiter.
Normenkette
BGB § 196 Abs. 1 Nr. 9, § 222 Abs. 1, § 812 Abs. 1, §§ 823, 847, 852
Verfahrensgang
LG Kiel (Aktenzeichen 13 O 125/99) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 13. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 01.09.1999 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Antragsteller, geboren am 17.11.1909, ist (heute) estnischer Staatsangehöriger. Er erstrebt Prozesskostenhilfe für eine Klage, mit der er wegen ihm 1944/45 in Deutschland abgenötigter Zwangsarbeit die beklagten Unternehmen auf einen materiellen und immateriellen Ausgleich in Anspruch nimmt.
Nach Ausweitung des 2. Weltkrieges auf das Gebiet der Sowjetunion (UdSSR) begann auch dort die Deportation von Arbeitskräften in das Deutsche Reich. In ihrem Zuge wurde der Antragsteller verschleppt und am 25.05.1944 in das Konzentrationslager (KZ) Buchenwald eingeliefert. Dort wurde er als Häftling aufgrund seiner fachlichen Qualifikation als Student einer Technischen Hochschule ab Anfang 06/1944 dem „Gerätebaukommando A.” zugewiesen, das für die „Feinmechanischen W.” in Kiel arbeitete. Es wurde nach Zerstörung der Produktionsstätte in Buchenwald durch einen Bombenangriff in 08/1944 über das KZ N. in das KZ-Außenkommando Hohwacht verlegt. Von dort wurde der Antragsteller an jedem Werktag zur Produktionsstätte jenes Unternehmens in Kiel-Diedrichsdorf zwecks Ableistung einer 11stündigen Zwangsarbeit ohne jede Entlohnung verbracht. Ende 04/1945 wurde er durch den Einmarsch britischer Truppen befreit.
Die „Feinmechanischen W.” war zu 100 % eine Tochter der A. & Co. GmbH in Kiel, die dann auch deren Vermögen nach Auflösung (infolge alliierten Produktionsverbots) als Ganzes übernommen hat. Sie selbst wird nach 1995 erfolgter Umbenennung von der Antragsgegnerin zu 1. fortgesetzt. –
Die 1972 gegründete Antragsgegnerin zu 2. hat 1994/95 ihren Sitz (von Balingen) nach Kiel verlegt, zumindest wesentliche Teile des von der Antragstellerin zu 1. betriebenen Unternehmens übernommen und ihre Firma zunächst in „R.” geändert und alsdann 1998 erneut umfirmiert.
II. Das Landgericht hat dem Antragsteller Prozesskostenhilfe versagt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht die erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 ZPO): den möglichen zivilrechtlichen Ansprüchen stünde nämlich die erhobene Einrede der Verjährung (§ 222 Abs. 1 BGB) entgegen. –
Dieser Auffassung ist beizutreten, so dass auch die Beschwerde (§ 127 Abs. 2 ZPO) nicht begründet ist.
1. Für die Beurteilung der Erfolgsaussichten hat deren Verschlechterung während des PKH-Verfahrens hier außer Betracht zu bleiben, wie es einer zunehmend befolgten Auffassung entspricht. Maßgeblich für die Erfolgsprognose ist demnach der Kenntnisstand zur Zeit der Entscheidungsreife (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 22. Aufl. 2001, § 119 Rn 44 ff).
Folglich bleibt das Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft” vom 02.08.2000 (BGBl I 1263 ff) hier unberücksichtigt. Nach dessen § 16 Abs. 1 S. 1 können Leistungen aus Mitteln deutscher Unternehmen für erlittenes nationalsozialistisches Unrecht i. S. v. § 11 nur (noch) nach diesem Gesetz beantragt werden. Danach stehen einem Zwangsarbeiter gegenüber dem Unternehmen, für das er in den Kriegsjahren eingesetzt worden ist, Forderungen nicht mehr zu. Diese Ausschlussnorm hat der BGH in einem Beschluss vom 30.11.2000 (III ZB 46/00) hingenommen und keinen Anlass zu verfassungsmäßigen Bedenken gefunden.
2. a) Die Zulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs hat das Landgericht zutreffend für gegeben erachtet. Es handelt sich bei der eingereichten Klage zum einen um eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit, weil es um die Rechtsbeziehungen zwischen Privatrechtsubjekten geht. Das Unternehmen, für das der Antragsteller Zwangsarbeit verrichten musste, war den vorgetragenen Umständen nach ihm gegenüber auch nicht damit betraut, eigenständig Staatsaufgaben wahrzunehmen (Beliehener) oder zumindest unselbständige Hilfstätigkeiten für eine Behörde auszuüben (Verwaltungshelfer). Und zum anderen ist auch nicht die ausschließliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG begründet; denn der Antragsteller stand zu dem Unternehmen, für das ihm Zwangsarbeit abgenötigt wurde, nicht in einem Arbeitsverhältnis. Dazu fehlte es an der insoweit erforderlichen einvernehmlichen Erbringung von Arbeit auf vertraglicher Grundlage (vgl. BAG NJW 2000, 1438, 1439).
b) Die Passivlegitimation der Antragstellerin zu 1. wird von ihr nicht in Zweifel gezogen. Hingegen scheidet eine originäre Haftung der Antragsgegnerin zu 2. aus, weil sie erst 1992 gegründet worden ist. Der Antragsteller begründet ihre Inanspruchnahme, da sie 1994/95 zumindest wesentliche Teile des von der Antragsgegnerin zu 1. betriebene Unternehm...