Leitsatz (amtlich)

1) Artikel 5 Abs. 2 des Londoner Schuldenabkommens steht einer gerichtlichen Geltendmachung einer Klageforderung einer ukrainischen Zwangsarbeiterin mit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Zwei+Vier-Vertrages vom 12.9.1990 nicht mehr entgegen. Die Reparationsfrage ist mit Inkrafttreten des Vertrages am 14. Oktober 1990 erledigt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt endete eine mögliche Hemmung der Verjährungsfrist. Ansprüche aus Dienst- oder Arbeitsvertrag, Geschäftsführung ohne Auftrag oder ungerechtfertigte Bereicherung waren spätestens Ende 1992, Ansprüche aus unerlaubter Handlung Ende 1993 verjährt.

2) Die Verjährung war nicht bis zur Entscheidung des BVerfG vom 13.5.1996 (NJW 1996, 2717 ff.) – keine Präklusion der Geltendmachung von Individualansprüchen wegen Zwangsarbeit in der NS-Zeit wegen Exklusivität des Völkerrechts – gehemmt.

3) Die Verjährung von zivilrechtlichen Ansprüchen ist auch nicht im Hinblick auf Art. 52 der Haager Landkriegsordnung und die UN-Konvention über die grundsätzliche Nichtverjährung aller Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ausgeschlossen.

 

Verfahrensgang

LG Mainz (Aktenzeichen 1 O 167/00)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 17. Juli 2000 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Prozesskostenhilfe zu, weil ihre beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 ZPO).

I.

Die Klägerin ist ukrainische Staatsangehörige. Sie macht Ansprüche als ehemalige Zwangsarbeiterin gegenüber der Beklagten geltend.

Im Jahre 1941 oder 1942 wurde die Klägerin in der Ukraine festgenommen, in einem Sammeltransport nach Deutschland verbracht und dem Betrieb der Beklagten als sogenannte Ostarbeiterin zugeteilt, wo sie bis 1945 Zwangsarbeit leisten musste.

Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin Zahlung von 42.000,– DM. Der Betrag ist berechnet aus einem durchschnittlichen Monatsverdienst deutscher Arbeiter zur damaligen Zeit für 33 Monate Zwangsarbeit multipliziert nach Preisindexrichtlinien zuzüglich 6.000,– DM wegen deliktischer Verletzung des Arbeitsvertrages durch menschenunwürdige Behandlung und Freiheitsberaubung. Durch Beschluss vom 15.3.2000 hat das von der Klägerin zunächst angerufene Arbeitsgericht den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für nicht eröffnet erklärt und den Prozess an das Landgericht verwiesen.

Die Klägerin hat vorgetragen,

ihre Verschleppung nach Deutschland sei im Auftrag der Beklagten erfolgt, die Zwangsarbeiter angefordert und sich durch deren Einsatz in ihrem Betrieb bereichert habe. Eine Verjährung ihrer Ansprüche komme nicht in Betracht, da die Behandlung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen zu beurteilen sei, welche der Verjährung nicht unterlägen. Hinzu komme, dass nach dem Rechtsgedanken des § 202 BGB eine Hemmung der Verjährung bis Mai 1996 vorgelegen habe, als erstmals durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts – entgegen der früher vertretenen Auffassung von der Individualansprüche ausschließenden Exklusivität des Völkerrechts – die Möglichkeit des Bestehens von Individualforderungen ausländischer Geschädigter anerkannt worden sei.

Unter Berufung auf dargelegte Bedürftigkeit beantragt die Klägerin Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Die Beklagte ist diesem Antrag mit der Begründung entgegengetreten, die Rechtsverfolgung sei insbesondere wegen eingetretener Verjährung aussichtslos.

Das Landgericht hat der Klägerin die beantragte Prozesskostenhilfe wegen Verjährung der Ansprüche verweigert. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.

II.

Das Landgericht hat zu Recht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss Bezug.

1) Der Klägerin stehen weder aus Dienst- oder Arbeitsvertrag (§ 611 BGB) noch aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 683 BGB), unerlaubter Handlung (§ 823 Abs. 1 und 2 BGB) oder aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 852 Abs. 3, 812 Abs. 1 BGB) Vergütungs-, Schadensersatz- oder Schmerzensgeldansprüche (§ 847 BGB) gegen die Beklagte zu. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass etwaige Ansprüche verjährt sind. Die Beklagte hat die Verjährungseinrede erhoben.

a) Das Landgericht geht zu Recht davon aus, dass zwischen den Parteien kein Dienst- oder Arbeitsvertrag zustande gekommen ist. Denn die Arbeitsleistung wurde nicht freiwillig, sondern zwangsweise erbracht. Voraussetzung für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses ist aber, dass die Begründung der Arbeitsverpflichtung einvernehmlich, d. h. aufgrund eines Vertrages nach beiderseitigen freiwilligen Willenserklärungen vereinbart wird (BAG Beschluss vom 16.2.2000, 5 AZB 71/99, GA 43 ff; LArbG München Beschluss vom 11.1.2000 – 5 Ta 446/99; LArbG Frankfurt Beschluss vom 16. Juli 1999 – 2 Ta 239/99; ArbG Koblenz Entscheidung vom 7.7.1999 – 1 Ca 13...

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