Tenor

1) Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 9. Juli 2023 werden die Beschlüsse der Vergabekammer Schleswig-Holstein vom 7. Juli 2023 aufgehoben.

2) Die Vergabekammer Schleswig-Holstein wird verpflichtet, das Nachprüfungsverfahren auf den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin vom 7. Juli 2023 unter Beachtung der sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergebenden Rechtsauffassung des Senats durchzuführen.

3) Die Kosten des Verfahrens der sofortigen Beschwerde trägt die Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im Verfahren der sofortigen Beschwerde. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

4) Der Streitwert für das Verfahren der sofortigen Beschwerde wird auf bis zu EUR 320.000,00 festgesetzt.

 

Gründe

I. Mit Bekanntmachung vom ... im Supplement des Amtsblattes der Europäischen Union - ... Vergabe-Nr. ... - berichtigt durch Bekanntmachung vom ... im Supplement des Amtsblattes der Europäischen Union - ... - hat die Antragsgegnerin den Auftrag "Schüler*innenbeförderung der Förderzentren; Schüler*innenbeförderung für die Schuljahre 2023/2024 bis 2025/2026 mit der Option zweimal um jeweils ein Jahr zu verlängern" im offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben (Anlage 1 zum Schreiben der Antragsgegnerin an die Vergabekammer vom ...).

Die Beschaffung umfasst die Beförderung von den Wohnungen zu den Schulstandorten (Schulfahren) sowie Sonderfahrten. Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt, wobei der Preis nicht das einzige Zuschlagskriterium ist. Aus der Anlage 7 der Vergabeunterlagen "Gewichtung der Wertungskriterien" ergeben sich folgende, bereits unter VI.3) der Auftragsbekanntmachung genannte, Zuschlagskriterien:

1. die Gesamtkilometer zu 50%; Grundlage der Punktebewertung ist dabei eine Wertungszahl, die ermittelt wird aus den sich bei einer Subtraktion von Erfahrungskilometern mit den angebotenen Kilometern dividiert durch 1.000 multipliziert mit dem Gewichtungsfaktor (50%),

2. der Preis pro besetzt gefahrenem Kilometer inklusive aller preisbeeinflussenden Faktoren Schulfahrten zu 35%, dabei ergibt sich die Wertungszahl aus dem angebotenen Preis multipliziert mit dem Gewichtungsfaktor (35%),

3. der Preis pro besetzt gefahrenen Kilometer inklusive aller preisbeeinflussenden Faktoren Sonderfahrten zu 10%, dabei ergibt sich die Wertungszahl aus dem angebotenen Preis multipliziert mit dem Gewichtungsfaktor (10%),

4. der Preis der Anfahrtspauschale für Sonderfahrten, dabei ergibt sich die Wertungszahl aus dem angegebenen Preis multipliziert mit dem Gewichtungsfaktor (5%).

Das wirtschaftlichste Angebot wird ermittelt aus der Summe der Wertungszahlen. Das wirtschaftlichste Angebot ist dabei das Angebot mit der geringsten Punktzahl. Die Erfahrungskilometer wurden nicht in den Vergabeunterlagen bekannt gegeben, sondern von der Antragsgegnerin nach Maßgabe der im Schuljahr 2022/2023 für das Schuljahr 2021/2022 durch die Beigeladene endgültig abgerechneten Kilometer ermittelt und der Auswertung zugrunde gelegt. In dem Preisblatt - alle Preise waren als Nettopreise anzugeben - waren von den Bietern anzugeben:

1) wöchentlicher Tourenpreis für alle Hin- und Rücktouren einschließlich Fahrten für Unterrichtsangebote inkl. aller preisbeeinflussenden Faktoren,

a) prozentualer Anteil der Personalkosten am wöchentlichen Tourenpreis,

b) prozentualer Anteil der Kosten für die Anschaffung und den Unterhalt der Fahrzeuge am wöchentlichen Tourenpreis,

2) Gesamtkilometer für alle Hin- und Rücktouren und Fahrten für Unterrichtsangebote in einer Kalenderwoche,

3) Preis pro besetzt gefahrenen Kilometer inkl. aller beeinflussenden Faktoren für Schulfahrten,

4) Preis pro besetzt gefahrenen Kilometer inkl. aller beeinflussenden Faktoren für Sonderfahrten,

5) Anfahrtspauschale für Sonderfahrten,

6) Zusätzlicher Preis je Busbegleitung pro gefahrenen Kilometer.

Die Antragstellerin und die Beigeladene, die derzeitige Auftragnehmerin, reichten jeweils Angebote ein. Als wirtschaftlichstes Angebot ermittelte die Antragsgegnerin aufgrund der niedrigsten Punktzahl aus der Summe der vier Wertungszahlen das Angebot der Beigeladenen. Die Antragstellerin erhielt daraufhin am 16. März 2023 das Informationsschreiben der Antragsgegnerin über die Absage nach § 134 GWB unter Hinweis auf ein niedrigeres Hauptangebot: Nach Auswertung der Angebote im Hinblick auf die Wertungskriterien habe die Antragstellerin in den Losen 1 und 2 jeweils nicht das niedrigste Hauptangebot vorgelegt. Die erreichten Punktzahlen des Angebots der Antragstellerin lägen für Los 1 bei 3,22, bei Los 2 bei 3,36. Die Punktzahlen des Angebots der Beigeladenen lägen bei Los 1 bei 1,85, bei Los 2 bei 1,96 Punkten.

Mit Schreiben vom 21. März 2023 erhob die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin eine Rüge mit dem Ziel, das Angebot der Beigeladenen von der Wertung auszuschließen und ihr den Auftrag zu erteilen. Die Antragsgegnerin hat die Rüge der Antragstellerin mit Schreiben vom 5. April ...

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