Verfahrensgang
AG Norderstedt (Aktenzeichen 55 F 137/22) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1. vom 03.05.2023 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Norderstedt vom 19.04.2023 wird als unzulässig verworfen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Beteiligten zu 1. auferlegt.
3. Der Verfahrenswert im Beschwerdeverfahren wird auf 4.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1. vom 03.05.2023 richtet sich gegen einen Beschluss des Familiengerichts, nach dem gerichtliche Maßnahmen wegen Gefährdung des Kindeswohls nicht zu treffen sind.
1. Die am 1971 geborene Beteiligte zu 1. ist die Mutter der Kinder M. und J.. Sie ist beruflich als Dipl. Betriebswirtin tätig. Der am 1969 geborene Beteiligte zu 2. ist der Vater der Kinder. Er ist Psychologe und ausgebildeter Kinder- und Jugendlichentherapeut. Die Beteiligten zu 1. und 2. heirateten am 30.09.2011 und trennten sich im Herbst 2016. Ihre Ehe wurde durch den Beschluss des Familiengerichts vom 03.02.2022 geschieden. Ihr Verhältnis ist seit langem hochstreitig.
2. Betreffend die Kinder M. und J. waren bereits mehrere kindschaftsrechtliche Verfahren anhängig.
a) Das Familiengericht übertrug zuletzt mit Beschluss vom 17.06.2022 (55 F 55/22) dem Beteiligten zu 2. die alleinige elterliche Sorge für beide Kinder nach § 1671 BGB. Die Beteiligte zu 1. legte gegen den Beschluss Beschwerde (8 UF 88/22) ein, die sie im Termin zur mündlichen Erörterung vom 11.10.2022 zurücknahm, nachdem der Senat auf die voraussichtliche Erfolglosigkeit der Beschwerde hingewiesen hatte.
b) Parallel zu diesem sorgerechtlichen Verfahren war beim Familiengericht ab dem 02.08.2022 das dort gesondert geführte Verfahren zur Prüfung kindesschutzrechtlicher Maßnahmen nach § 1666 BGB aufgrund einer Gefährdungsmitteilung des Jugendamts anhängig. Das Jugendamt hatte mitgeteilt, dass auch nach dem Beschluss vom 17.06.2022 für die Kinder keine Ruhe eingetreten sei - beide Kinder seien durch die fortwährend anhaltenden Beschuldigungen hoch belastet. Sie würden aus dem Elternkonflikt nicht herausgehalten. Die Eltern würden das Verhalten der Kinder in ihrem eigenen Interesse interpretieren. Die Kinder würden manipuliert.
c) Mit Schreiben vom 04.08.2022 hat der Senat dem Familiengericht mitgeteilt, dass bei ihm das Verfahren 8 UF 88/22 betreffend die Übertragung der Alleinsorge bei Getrenntleben der Eltern anhängig ist. In diesem Verfahren sei auch nach § 1671 Abs. 4 BGB zu entscheiden, ob die elterliche Sorge auf Grund anderer Vorschriften, namentlich § 1666 Abs. 1, 3 BGB, abweichend geregelt werden müsse. Für gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls sei deshalb das Beschwerdegericht zuständig, solange bei diesem die Hauptsache 8 UF 88/22 anhängig sei (Bl. 25 d.A.).
d) Das Amtsgericht hat in dem nach Rücknahme der Beschwerde in dem Verfahren 8 UF 88/22 gesondert fortgeführten Verfahren wegen gerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls durch den angefochtenen Beschluss vom 19.04.2023 festgestellt, dass gerichtliche Maßnahmen nach den §§ 1666, 1666a BGB nicht zu treffen sind.
3. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1. vom 03.05.2023. Sie beantragt, den Beschluss vom 19.04.2023 abzuändern und die elterliche Sorge auf sie (die Beteiligte zu 1.) zu übertragen. Sie führt aus, Kindeswohlgefährdungen seien umfangreich und detailliert dargelegt. Die Kindeswohlgefahr sei abzuwenden durch eine Übertragung der elterlichen Verantwortung an die Kindesmutter in der begründeten Erwartung, dass dies dem Kindeswohl von M. und J. am besten entspreche. Die Einholung des erforderlichen Sachverständigengutachtens würde zu der nötigen Ruhe bei den Kindern führen, indem festgestellt werde, was die Kinder belaste, und könne so zu der Aufklärung hinsichtlich der Kindeswohlgefährdung im Haushalt des Kindesvaters beitragen.
4. Der Senat hat mit Verfügung vom 30.08.2023 darauf hingewiesen, dass die Beschwerde der Beteiligten zu 1. unzulässig ist. Die Beteiligte zu 1. hat mitgeteilt, ihre Beschwerde bleibe aufrechterhalten. Sie sei beschwerdeberechtigt. Es gehe nicht lediglich um die Beeinträchtigung des Rechts der elterlichen Sorge, sondern um die Beeinträchtigung eines jeden subjektiven Rechts. Sie sei hier durch den angefochtenen Beschluss in ihrem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG beeinträchtigt. Dieses stelle ein subjektiv-öffentliches Recht dar und falle somit auch in den Anwendungsbereich des § 59 Abs. 1 FamFG. Wenn keine Maßnahme gemäß § 1666 BGB durch den angefochtenen Beschluss erlassen werde, sei die Kindesmutter in ihrem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG beeinträchtigt, denn eine Beeinträchtigung im Sinne des § 59 Abs. 1 FamFG liege vor, wenn unmittelbar nachteilig in die Rechtsstellung des Beschwerdeführers eingegriffen werde, indem Rechte aufgehoben, beschränkt, gemindert oder deren Ausübung gestört oder erschwert würden. Das Recht des Elternprimats, nämlich die Ausübung des Schutzes und der Hilfe für ihre beiden Kinder, werde der ...