Leitsatz (amtlich)

Die Anordnung einer Betreuung mit den Aufgabenkreisen Gesundheitsfürsorge und Unterbringung, die auf eine Unterbringung des außerhalb einer Unterbringung mangels Krankheitseinsicht nicht behandelbaren Betreuten zur Heilbehandlung abzielt, ist nur erforderlich, wenn eine (Zwangs-)Behandlung in einer geschlossenen Einrichtung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB überhaupt in Betracht kommt, d.h. diese bei einer vorläufigen Einschätzung erfolgversprechend und nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unumgänglich erscheint, um eine drohende gewichtige gesundheitliche Schädigung abzuwenden.

 

Normenkette

BGB § 1896 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Lübeck (Beschluss vom 03.12.2004; Aktenzeichen 7 T 533/04)

AG Eutin (Beschluss vom 12.11.2004; Aktenzeichen 4-XVII M 212)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.

Der Betroffenen wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... bewilligt.

Der Geschäftswert wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Das AG hat die Beteiligte mit Beschl. v. 12.11.2004 für die Aufgabenkreise Gesundheitssorge und Aufenthaltsbestimmung zur Betreuerin der Betroffenen bestellt. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Betroffenen hat das LG mit Beschl. v. 3.12.2004 zurückgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungen der Vorinstanzen wird auf die Beschlüsse vom 12.11.2004 (Bl. 17 d.A.) und 3.12.2004 (Bl. 22-25 d.A.) Bezug genommen. Gegen den Beschluss des LG hat die Betroffene formgerecht weitere Beschwerde eingelegt.

II. Die gem. §§ 20, 27, 29 FGG zulässige weitere Beschwerde hat in der Sache mit der Maßgabe Erfolg, dass die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache an das LG zurückzuverweisen ist. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Rechtsverletzung (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).

Das bisher in den Akten dokumentierte Ergebnis der Ermittlungen rechtfertigt nicht die Annahme, dass die Voraussetzungen des § 1896 BGB für die Bestellung einer Betreuerin für die Aufgabenkreise Gesundheitssorge und Aufenthaltsbestimmung derzeit gegeben sind.

Das LG hat zwar rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Betroffene an einer psychischen Krankheit i.S.d. § 1896 Abs. 1 S. 1 BGB leidet. Als Auswirkung dieser Erkrankung nimmt die Betroffene Schmerzen, Geräusche und Gerüche wahr, die keinen realen Hintergrund haben. Das ergibt sich hinreichend aus dem bereits eingeholten Sachverständigengutachten, dem Bericht der Betreuungsbehörde und dem Ergebnis der Anhörung der Betroffenen. Deshalb bedürfen diese Fragen auch keiner weiteren Aufklärung.

Das LG hat aber nicht hinreichend geklärt, ob eine Betreuung mit den Aufgabenkreisen Gesundheitssorge und Aufenthaltsbestimmung auch erforderlich i.S.d. § 1896 Abs. 2 S. 1 BGB ist. Nach dem bisherigen Akteninhalt kommt eigentlich nur in Betracht, dass die Einrichtung einer Betreuung mit diesen Aufgabenkreisen eine Unterbringung der Betroffenen zur Heilbehandlung (§ 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB) vorbereiten soll. Danach scheint die Betroffene alle Angelegenheiten mit Ausnahme der Behandlung ihrer psychischen Krankheit selbst regeln zu können. Die Hilfe einer Betreuerin kann demnach allenfalls für den Bereich der Behandlung der psychischen Erkrankung erforderlich sein, und diese Behandlung dürfte nach Lage der Dinge nur in einer geschlossenen Einrichtung möglich sein. Nach dem Gutachten der Sachverständigen Dr. D. vom 15.9.2004 (Bl. 6 f. d.A.) sind sämtliche Versuche einer freiwilligen Behandlung der Betroffenen gescheitert. Daran dürfte sich auch in Zukunft nichts ändern, weil die Betroffene nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des LG nicht krankheitseinsichtig ist. Bei dieser Sachlage wäre die Einrichtung einer Betreuung nur dann erforderlich i.S.d. § 1896 Abs. 2 S. 1 BGB, wenn eine (Zwangs-)Behandlung in einer geschlossenen Einrichtung überhaupt in Betracht käme. Das lässt sich nach dem bisherigen Akteninhalt jedoch nicht mit der notwendigen Sicherheit feststellen. Die (Zwangs-)Behandlung einer einwilligungsunfähigen und behandlungsbedürftigen Kranken - wie der Betroffenen - in einer geschlossenen Einrichtung darf nur erfolgen, wenn sie verhältnismäßig ist. Diese Frage ist einer strengen Prüfung zu unterziehen, weil die Freiheit der Person ein so hohes Rechtsgut ist, dass sie nur aus besonders gewichtigen Gründen angetastet werden darf (BVerfG v. 23.3.1998 - 2 BvR 2270/96, NJW 1998, 1774). Auch einer psychisch Kranken muss nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung in gewissen Grenzen die "Freiheit zur Krankheit" belassen bleiben; eine Unterbringung zur Heilbehandlung ist deshalb nur zulässig, wenn sie sich als unumgänglich erweist, um eine drohende gewichtige gesundheitliche Schädigung von einer Kranken abzuwenden (BVerfG v. 23.3.1998 - 2 BvR 2270/96, NJW 1998, 1774; BGH v. 11.10.2000 - XII ZB 69/00, MDR 2001, 216 = NJW 2001, 888; BayObLG v. 3.3.2004 - 3Z BR 52/04, FamRZ 2004, 1135). De...

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