Leitsatz (amtlich)
VW-Abgasskandal: Entfallen eines Schadens durch das Aufspielen des Software-Updates; Mitverschulden bei Weigerung des Käufers, das Update aufspielen zu lassen
Normenkette
BGB § 249 Abs. 1, §§ 254, 826
Nachgehend
Tenor
Die Anschlussberufung der Klägerin gegen das am 23.11.2018 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 7. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg wird zurückgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten wird dieses Urteil geändert und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch.
Im Februar 2012 erwarb die Klägerin einen gebrauchten Audi mit einem von der Beklagten entwickelten und hergestellten Dieselmotor des Typs EA 189 EU 5. Die Software dieses Motortyps war so konstruiert, dass sie nur auf dem Prüfstand, nicht aber im Echtbetrieb für eine erhöhte Abgas-Rückführung und hierdurch für die Einhaltung des maßgebenden Stickoxid-Grenzwerts sorgte. Nachdem dies im September 2015 bekannt geworden war ("VW-Diesel-Skandal"), entwickelte die Beklagte ein Software-Update, das für die erhöhte Abgas-Rückführung und damit - jedenfalls nach Darstellung der Beklagten - für die Einhaltung des Grenzwerts auch im Normalbetrieb sorgte. Das Kraftfahrtbundesamt gab der Beklagten auf, dieses Update bei den betroffenen Motoren aufzuspielen. Die Klägerin lehnte ein entsprechendes Angebot der Beklagten allerdings ab, und zwar "im Hinblick auf den laufenden Rechtsstreit". Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe ihr durch die Konstruktion und das Inverkehrbringen des Motors vorsätzlich und sittenwidrig einen Schaden zugefügt. Die verwendete Software sei als unzulässige Abschalteinrichtung zu bewerten. Das ihr angebotene Software-Update sei nicht geeignet, ihren Schaden zu beseitigen. Die Klägerin meint, die Beklagte habe ihr deshalb nach § 826 BGB den Kaufpreis zu ersetzen, Zug um Zug gegen Übereignung des Autos und Ersatz des Wertes der gezogenen Nutzungen.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Mit diesem Urteil hat das Landgericht die Beklagte im Wesentlichen antragsgemäß verurteilt und diese Verurteilung auf § 826 BGB gestützt. In den Gründen des Urteils heißt es, die Beklagte habe die Klägerin in der Tat vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt, indem sie das Auto mit der gesetzwidrigen Softwareprogrammierung in den Verkehr gebracht habe. Bei dieser Softwareprogrammierung habe es sich um eine nach europäischem Recht unzulässige Abschalteinrichtung gehandelt, so dass das Auto mangels gültiger Übereinstimmungsbescheinigung in dieser Form nicht habe in den Verkehr gebracht werden dürfen. Als sittenwidrig sei dies deshalb zu bewerten, weil die Beklagte nur die Mehrkosten und technischen Probleme habe umgehen wollen, die mit einer Software verbunden wären, die auch im Normalbetrieb die maßgebenden Grenzwerte eingehalten hätte. Zur Erreichung dieses Ziels habe die Beklagte die Ahnungslosigkeit der Verbraucher ausgenutzt und die Gesundheit der Allgemeinheit gefährdet. Weil die Beklagte nichts Abweichendes substantiiert dargelegt habe, sei die Behauptung der Klägerin, dass Vorstandsmitglieder oder sonstige Repräsentanten der Beklagten vorsätzlich gehandelt hätten, als zugestanden anzusehen. Ohne die demnach vorsätzliche und sittenwidrige Täuschung über die Abschalteinrichtung hätte die Klägerin - so das Landgericht - das Auto nicht gekauft. Einen Schaden habe die Klägerin durch diesen Kauf insofern erlitten, als ohne das ihr angebotene Softwareupdate die Aufrechterhaltung der Betriebserlaubnis gefährdet sei. Deshalb könne die Klägerin als Naturalrestitution die Erstattung des Kaufpreises abzüglich des Wertes der gezogenen Nutzungen verlangen, Zug um Zug gegen Übereignung des Autos auf die Beklagte.
Allerdings hat das Landgericht die Gesamtfahrleistung auf nur 250.000 km statt 300.000 km geschätzt und ist so zu einem auszugleichenden Nutzungsvorteil von 19.521,68 EUR gelangt, mithin zu einem höheren Wert als die Klägerin. Außerdem hat das Landgericht der Klägerin die Anwaltskosten nur in Höhe einer 1,5-Gebühr zugesprochen und nicht wie geltend gemacht in Höhe einer 2,0-Gebühr.
Mit ihrer Berufung beantragt die Beklagte nach wie vor die vollständige Abweisung der Klage und begründet dies wie folgt.
Weil die ursprüngliche Softwareprogrammierung nicht die Kontrolle von Emissionen beeinflusse, sondern als innermotorische Maßnahme deren Entstehung verhindere, stelle sie keine unzulässige Abschalteinrichtung dar. Überdies sch...