Entscheidungsstichwort (Thema)
Informationspflichten des Vorstands ggü. der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Ist der Vorstand einer Aktiengesellschaft zur Unterrichtung der Hauptversammlung über den wesentlichen Inhalts eines Vertragswerkes verpflichtet, so muss schon die Einladung zur Hauptversammlung diejenigen Informationen enthalten, die für eine angemessene Beurteilung durch die Aktionäre erforderlich sind. Soll das Vertragswerk erst mit Zustimmung der Hauptversammlung wirksam werden, ist auch auf diesen Umstand hinzuweisen.
2. Wird durch das Vertragswerk im Sinne eines Vergleichs auf Ansprüche der Gesellschaft aus einem anderen Regelungszusammenhang verzichtet werden, so muss schon mit der Einladung auch dessen wesentlicher Inhalt soweit dargestellt werden, wie es für eine Charakterisierung der Ansprüche erforderlich ist. Keinesfalls reicht es aus, ein englischsprachiges umfangreiches Vertragswerk auf der Hauptversammlung nur für kurze Zeit und ohne Übersetzung auszulegen.
3. Die Informationspflicht des Vorstands besteht nicht nur bei vertraglich vereinbartem Zustimmungsvorbehalt (§ 124 Abs. 2 S. 2 AktG), sondern auch dann, wenn die Hauptversammlung wegen der Reichweite derGeschäftsführungsmaßnahme zur Entscheidung berufen ist (BGH v. 25.2.1982 - II ZR 174/80, BGHZ 83, 122 [131] = AG 1982, 158 = MDR 1982, 554 - Holzmüller; v. 26.4.2004 - II ZR 155/02, BGHZ 159, 30 ff. = BGHReport 2004, 946 m. Anm. Riehmer = AG 2004, 384 - Gelatine). Eine derartige Zuständigkeit der Hauptversammlung kann dadurch indiziert sein, dass ein Vorstand eine Maßnahme von sich aus der Hauptversammlung als bedeutsam zur Beschlussfassung vorlegt.
Normenkette
AktG §§ 119, 124
Verfahrensgang
Tenor
Auf die wechselseitigen Berufungen der Kläger zu 2) und 3) sowie der Beklagten wird das am 7.4.2004 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen (Az. 6 O 17/03) geändert und insgesamt - wie folgt - neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass der Beschluss der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 27.1.2003, durch welchen dem sog. MC Settlement Agreement vom 20.11.2002 zwischen der Beklagten, der M. Holding GmbH und M. Multimedia GmbH einerseits und der F. T. SA sowie der W. S. B. SA andererseits zugestimmt worden ist (Ziff. 1 der Tagesordnung), nichtig ist.
Im Übrigen werden die Klagen sowie die Berufungen der Klägerin zu 1) ab- bzw. zurückgewiesen.
Die gerichtlichen Kosten in erster Instanz tragen der Kläger zu 2) zu 9 % sowie - insoweit gesamtschuldnerisch haftend mit ihm - die Klägerin zu 5 % und die Beklagte zu 91 %. Ihre eigenen außergerichtlichen Kosten erster Instanz tragen die Klägerin zu 1) insgesamt selbst, der Kläger zu 2) zu 9 % und die Beklagte zu 91 %. Im Übrigen werden die außergerichtlichen Kosten der ersten Instanz des Klägers zu 2) der Beklagten zu 91 %, der Klägerin zu 3) der Beklagten insgesamt sowie die außergerichtlichen Kosten der Beklagten dem Kläger zu 2) zu 9 % auferlegt.
Von den außergerichtlich in erster Instanz entstandenen Kosten der Streithelfer zu 4.) und 5.) der Kläger tragen die Streithelfer selbst jeweils 9 % und die Beklagte 91 %.
Die gerichtlichen Kosten in zweiter Instanz tragen der Kläger zu 2) zu 7 % sowie - insoweit gesamtschuldnerisch haftend mit ihm - die Klägerin zu 3 % und die Beklagte zu 93 %. Ihre eigenen außergerichtlichen Kosten erster Instanz tragen die Klägerin zu 1) insgesamt selbst, der Kläger zu 2) zu 7 % und die Beklagte zu 93 %. Im Übrigen werden die außergerichtlichen Kosten der ersten Instanz des Klägers zu 2) der Beklagten zu 93 %, der Klägerin zu 3) der Beklagten insgesamt sowie die außergerichtlichen Kosten der Beklagten dem Kläger zu 2) zu 7 % auferlegt.
Von den außergerichtlich in zweiter Instanz entstandenen Kosten der Streithelfer zu 4) und 5) der Kläger tragen die Streithelfer selbst jeweils 7 % und die Beklagte 93 %. Die Streithelferin der Beklagten trägt die ihr entstandenen außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jedoch können die Parteien die Vollstreckung der jeweils gegnerisch Beteiligten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden sofern nicht der jeweils Vollstreckende vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages leistet.
Tatbestand
Die Kläger und ihre als Nebenintervenienten beigetretenen Streithelfer sind Aktionäre der Beklagten und wenden sich gegen zwei auf der außerordentlichen Hauptversammlung vom 27.1.2003 der Beklagten gefasste Beschlüsse zu Tagesordnungspunkt 1 und 2, durch die (TOP 1) eine Vergleichsvereinbarung zwischen der Beklagten und ihr zuzurechnende Gesellschaften einerseits und der F. T. und ihr zuzurechnende Gesellschaften andererseits geschlossen worden (M.-Settlement Agreement, im Folgenden: MCSA) sowie (TOP 2) drei Positionen im Aufsichtsrat der Beklagten neu besetzt worden sind.
Die Beklagte ist ein bekanntes und deutschlandweit agierendes...