Entscheidungsstichwort (Thema)
Netznutzung und Netznutzungsvertrag; Verhältnis von Stromhändler zu Netzmonopolist
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Netzmonopolist ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt befugt, dem Stromhändler die Durchleitung elektrischer Energie für die von diesem angemeldeten oder noch anzumeldenden Kunden und den Abschluss eines entsprechenden Netznutzungsvertrages mit der Begründung zu verweigern, Vertragspartner des Netznutzungsvertrages könne nur der Verbraucher sein.
2. Jedenfalls im Privatkundenbereich hat nur der Händler einen Anspruch auf Abschluss eines Vertrages.
Normenkette
GWB § 19 Abs. 4 Nr. 4, §§ 20, 33; UWG §§ 1, 13; EnWG §§ 5-6
Verfahrensgang
LG Kiel (Aktenzeichen 14 O Kart 135/00) |
Tenor
Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das am 31.1.2001 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen I des LG Kiel wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 30.000 DM.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Gründe
Die Berufung hat keinen Erfolg.
Die Verfügungsbeklagte (künftig: Beklagte) ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt befugt, der Verfügungsklägerin (künftig: Klägerin) die Durchleitung elektrischer Energie für die von der Klägerin zur Durchleitung angemeldeten oder noch anzumeldenden Kunden zu den entsprechenden Abnahmestellen und den Abschluss eines entsprechenden Netznutzungsvertrages mit der Begründung zu verweigern, Vertragspartner des Netznutzungsvertrages könne nur der Netzkunde sein.
Das angefochtene Urteil, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, hat – auch hinsichtlich seiner Begründung – Bestand nach Maßgabe nachstehender am Berufungsvorbringen der Parteien orientierten Ausführungen.
1. Verfügungsanspruch
Das Unterlassungsbegehren der Klägerin ist begründet gem. §§ 19 Absatz 4 Nr. 4, 33 GWB sowie § 1 UWG i.V.m. § 13 UWG. Die Beklagte verstößt mit ihrer Forderung, einen Netznutzungsvertrag nur mit dem Endkunden zu schließen, gegen die vom Gesetzgeber in § 6 EnWG geregelten Grundgedanken des verhandelten Netzzugangs und missbraucht damit ihre marktbeherrschende Stellung als Netzmonopolist im Sinn des § 19 Absatz 1 GWB.
Da § 6 EnWG eine unmittelbar wettbewerbsregelnde Norm ist, handelt die Beklagte zugleich wettbewerbswidrig i.S.d. § 1 UWG. Das Beharren der Beklagten auf einen Abschluss eines Netznutzungsvertrages zwischen ihr und dem Endkunden stellt im Verhältnis zur Klägerin eine gegen die guten Sitten verstoßende Wettbewerbshandlung dar. Es führt zu einer individuellen Behinderung der Klägerin als Konkurrentin. Dabei handelt es sich um eine Wettbewerbshandlung. Das Beharren der Beklagten ist geeignet, den Absatz eigenen Stroms zum Nachteil der Klägerin zu fördern. Für die Förderung des eigenen Wettbewerbs reicht es aus, dass eine Handlung auf eine Erhaltung des bisherigen Kundenkreises zielt (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., Einl. UWG Rz. 215). Dies bezweckt die Beklagte vor dem Hintergrund, dass zwischen den Parteien ein Verdrängungswettbewerb herrscht, wonach jeder von der Klägerin neu gewonnene Kunde als Kunde der Beklagten fortfällt.
1.1. Vertragliche Regelung
Entgegen der Ansicht der Berufung steht dem Unterlassungsbegehren nicht bereits eine individualvertragliche Regelung der Parteien entgegen.
Die Beklagte macht im Hinblick auf den zwischen den Parteien geschlossenen Rahmenvertrag (Anlage 1 zur Berufungsbegründung) geltend, die Klägerin habe keinen Anspruch darauf, dass sie, die Beklagte, nicht auf Abschluss eines Netznutzungsvertrages mit dem Endkunden bestehe.
Tatsächlich regelt § 2 Abs. 1 des Rahmenvertrages, dass Voraussetzung für die Einbeziehung der einzelnen Kunden in den Rahmenvertrag der Abschluss von gesonderten Netzanschluss- sowie Netznutzungsverträgen zwischen den Stadtwerken (der Beklagten) und dem Kunden sei. Die inhaltliche Ausgestaltung des Rahmenvertrages orientiert sich an der Verbändevereinbarung II vom 13.12.2000, die in Ziffer 1.1. bestimmt, dass getrennt von der Stromlieferung grundsätzlich mit jedem Einzelkunden Netzanschluss- und Netznutzungsverträge abzuschließen seien.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Rahmenvertrag vom 10.8./18.8.2000 zwischen den Parteien allein mit seinem maschinenschriftlichen Inhalt zustande gekommen ist. Diesbezügliche Zweifel gehen zu Lasten der Beklagten, da sie mit dem Rahmenvertrag anspruchshindernde Voraussetzungen vorträgt.
Der Rahmenvertrag enthält – räumlich unter der Unterschrift des Vertreters der Klägerin aber über dem Stempel der Klägerin – den Zusatz: „Mit Vorbehalt gem. unserem Schreiben vom 8.8.2000”. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist dieser handschriftliche Zusatz trotz seiner räumlichen Stellung Bestandteil der schriftlichen Willenserklärung der Klägerin geworden. Der Vorbehalt ist zeitgleich abgegeben worden und für die Beklagte war erkennbar, dass die Klägerin nur unter Vorbehalt den Rahmenvertrag abschließen wollte. Dass die Parteien eine strenge Schriftform verein...