Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlöschen eines Wegerechts
Leitsatz (amtlich)
§ 1028 Abs. 1 S. 1 BGB ordnet die Verjährung nicht für den Fall an, dass eine Anlage erst nach Belastung des Grundstücks errichtet wird, sondern für den Fall, dass sie - wann auch immer - "errichtet worden" ist. Die gesetzliche Formulierung legt nicht fest, wann, sondern nur auf welchem der beiden Grundstücke eine Anlage errichtet sein muss.
Normenkette
BGB §§ 1004, 1019, 1028 Abs. 1 S. 1
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 25.06.2020 unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Grunddienstbarkeit (Wegerecht) mit dem Inhalt der Bewilligung mit dem Inhalt besteht, dass der jeweilige Eigentümer des Grundstücks X-weg 80 a, eingetragen im Grundbuch von L, berechtigt ist, den Zufahrtsweg zum Garagenhof zum Gehen und Fahren zu benutzen.
Es wird festgestellt, dass der Kläger keinen durchsetzbaren Anspruch auf Beseitigung der Grundstücksmauer hat.
Es wird festgestellt, dass die Grunddienstbarkeit keine Wendemöglichkeit für Kraftfahrzeuge auf dem Hinterhof der Beklagten und eine Breite des Weges von nicht mehr als 3,00 m umfasst.
Im Übrigen werden Klage und Widerklage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 2/3, 1/6 tragen jeweils die Beklagten.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils gegen sie zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweiligen Vollstreckungsbetrages vor der Vollstreckung leistet.
Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Der Gegenstandswert wird auf 15.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um den Bestand eines als Grunddienstbarkeit im Grundbuch eingetragenen Wegerechts
Sie sind Eigentümer benachbarter Immobilien am X-weg in L. Das Grundstück des Klägers liegt von der Straße gesehen im Wesentlichen hinter dem Grundstück der Beklagten. Es hat einen eigenen schmalen Fußweg entlang der nördlichen Grenze des Grundstücks der Beklagten, im Übrigen aber keinen Zugang zu einer öffentlichen Straße. Auf dem Grundstück der Beklagten befindet sich ein tiefer liegender Hof, der über eine Zufahrt vom X-weg aus zu erreichen ist. Die Zufahrt und der Hof sind durch eine Mauer zum Grundstück des Klägers begrenzt. Das Grundstück der Beklagten ist seit Mitte der Sechzigerjahre mit einer Grunddienstbarkeit als Wegerecht belastet. Danach ist der jeweilige Eigentümer des Grundstücks X-weg 80a (klägerisches Grundstück) berechtigt, den Zufahrtsweg zum Garagenhof zum Gehen und Fahren zu benutzen und zwar insbesondere als Zufahrtsweg zu der in den Keller seines Hauses einzubauenden Garage. Wegen des Wortlauts der Bewilligung vom 22.12.1965 wird auf die Anlage K2 verwiesen, wegen der Örtlichkeit im Übrigen auf den Auszug aus der Stadtgrundkarte Anlage K1.
Der Kläger beabsichtigt, auf seinem Grundstück ein neues Haus zu bauen. Das Gebäude soll dabei auch eine Kellergarage erhalten, die auf eine Zufahrt im Bereich des Wegerechts angewiesen ist. Deshalb verlangt er von den Beklagten die Beseitigung der Mauer. Die Beklagten berufen sich darauf, dass der Beseitigungsanspruch spätestens 30 Jahre nach der Eintragung verjährt und die Grunddienstbarkeit folglich selbst erloschen sei.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht hat die auf Feststellung des Fortbestandes der Grunddienstbarkeit gerichtete Klage abgewiesen und der Widerklage auf Zustimmung zur Löschung der Grunddienstbarkeit teilweise stattgegeben. Die Grunddienstbarkeit zugunsten des klägerischen Grundstücks sei nach § 1028 Abs. 1 S. 2 BGB und § 1019 BGB erloschen, da der Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung durch die Mauer verjährt sei. Soweit sie ein Gehrecht enthalte, biete sie dem herrschenden Grundstück keinen Vorteil.
Gegen die Klageabweisung wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er ist der Auffassung, dass § 1028 BGB nur anwendbar sei, wenn ein Hindernis später auf dem bereits zuvor belasteten Grundstück errichtet werde. Die Vorschrift erfasse dagegen nicht die Konstellation, dass zuerst eine Anlage errichtet und danach die Grunddienstbarkeit eingetragen werde. § 1028 Abs. 1 Satz 1 BGB weiche von dem in § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB enthaltenen Grundsatz der Unverjährbarkeit dinglicher Rechte in einem besonderen Fall ab und habe Ausnahmecharakter. Deshalb sei sie eng auszulegen.
Die Grunddienstbarkeit sei auf Vorrat bestellt worden. Sie solle den Fall absichern, dass künftig einmal im Keller des klägerischen Grundstücks eine Garage eingebaut würde. Dies entspreche nicht dem Zweck des § 1028 BGB, der Fälle regele, in denen die Grunddienstbarkeit anfangs einen Zweck gehabt habe, dan...