Entscheidungsstichwort (Thema)

Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst ("Geburtstagszug")

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Werkqualität von Erzeugnissen der angewandten Kunst (hier: Entwürfe für Spielwaren) nach neuer Rechtsprechung (Umsetzung von BGH, Urt. v. 13.11.2013 - I ZR 143/12 - Geburtstagszug).

2. Verjährung von Auskunftsansprüchen des Urhebers gegen den Werknutzer zur Durchsetzung von Ansprüchen auf angemessene Vergütung (§§ 32, 32a UrhG) ab Kenntnis des Urhebers vom Verkaufserfolg als "Bestseller".

3. Entstehen neuer Auskunftsansprüche in unverjährter Zeit nur bei substantiierter Darlegung eines neu entstandenen Missverhältnisses zwischen - fiktiv - angepasster Vergütung und den weiterhin gezogenen Vorteilen und Erträgen aus der Werknutzung.

 

Normenkette

UrhG § 2 Abs. 1 Nr. 4, §§ 32, 32a, 36; BGB §§ 195, 199 Abs. 1, § 242

 

Verfahrensgang

BGH (Urteil vom 13.11.2013; Aktenzeichen I ZR 77/12)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 16.06.2016; Aktenzeichen I ZR 222/14)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin wird im Umfang der Aufhebung der Sache und Zurückverweisung an den Senat durch Urteil des BGH vom 13.11.2013 zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist Diplomdesignerin. Sie ist seit 1998 selbständige Kinderbuchillustratorin und Spielwarendesignerin. Die Beklagte stellt Spielwaren her und vertreibt sie. Sie gehört in der Branche zu den größten Unternehmen Deutschlands. Die Klägerin fertigte für die Beklagte im Jahr 1998 Zeichnungen für einen Tisch-Holzzug mit Waggons, auf die sich Kerzen und Zahlen aufstecken lassen (Geburtstagszug), für ein Angelspiel und im Jahr 2001 für eine dem Geburtstagszug vergleichbare Tierkarawane (Geburtstagskarawane). Als Honorar erhielt sie für den Geburtstagszug und das Angelspiel je 400 DM netto und für die Geburtstagskarawane 1.102 DM netto. Für Geburtstagszug und -karawane zeichnete sie im Jahre 2002 zusätzlich aufsteckbare Ziffern (die ursprüngliche Ausstattung bestand nur aus den Ziff. 1 - 6; 7 - 9 kamen nun hinzu). Hierfür erhielt sie insgesamt 54 EUR netto (Rechnungen s. Anlage K 4 - 7, Bl. 26 - 29 d.A. im Anlagenheft).

Die Klägerin hält die Vergütung angesichts des unstreitig großen Verkaufserfolgs der Artikel für zu gering. Sie beansprucht unter Berufung auf die §§ 32, 32a UrhG und § 242 BGB eine nachträgliche Erhöhung der Vergütung nach Maßgabe der Verkaufserlöse für die Artikel. Ihr stehe an den Entwürfen ein Urheberrecht zu, weil sie diese, so hat sie behauptet, nach eigenen Vorstellungen freischöpferisch gestaltet habe. Mit ihrer am 19.11.2009 beim LG eingegangen Klage hat sie die Beklagte auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung über den Verkaufserfolg der Artikel und auf Zahlung von 5 % des vereinnahmten Nettoerlöses und eines mindestens ebenso hohen Anteils des zukünftigen Nettoverkaufspreises in Anspruch genommen.

Die Beklagte hat unter Klagabweisungsantrag bestritten, dass die Zeichnungen eigene Entwürfe der Klägerin darstellten. Tatsächlich habe die Klägerin nur Ideen ihres, der Beklagten, geschäftsführenden Gesellschafters X zeichnerisch umgesetzt. Unabhängig davon stellten die Entwürfe keine urheberrechtlich geschützten Werke dar, weil ihnen die notwendige schöpferische Gestaltungshöhe fehle, ab der Werke nach höchstrichterlicher Rechtsprechung erst dem Urheberrechtschutz unterfielen. Etwaige Ansprüche der Klägerin seien jedenfalls verjährt. Die Klägerin wisse seit einem Gespräch im Frühjahr 2003 von dem großen Verkaufserfolg des Geburtstagszugs und der Geburtstagskarawane.

Das LG hat die Klage insgesamt abgewiesen. Weder die von der Klägerin gefertigten Arbeiten noch die von der Beklagten hergestellten Artikel genössen urheberrechtlichen Schutz, weil ihnen die für Werke der angewandten Kunst notwendige Gestaltungshöhe fehle. Die von der Klägerin gefertigten Arbeiten seien auch nicht als technische Zeichnungen und damit nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG geschützte Werke zu qualifizieren, weil die Beklagte die Zeichnungen nicht übernommen habe, sondern diese der anschließenden Produktion der Artikel gedient hätten. Die Klägerin habe schließlich keinen Auskunfts- und Vergütungsanspruch nach § 242 BGB. Die Parteien hätten Werkverträge über nicht urheberrechtlich geschützte Werke geschlossen. Die danach erbrachten Leistungen der Klägerin habe die Beklagte vergütet.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche in vollem Umfang weiter. In der Berufungsbegründung legt sie zunächst ausführlich dar, dass der Tatbestand des angefochtenen Urteils unvollständig und tendenziös sei (Bl. 266-276 d.A.). Sie legt sodann dar, dass an der höchstrichterlichen Rechtsprechung, nach d...

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