Leitsatz (amtlich)
Wenn nach einer Heimunterbringung des Kindes beide Elternteile ihre Unterhaltsverpflichtung nicht mehr durch die Betreuung des Kindes erfüllen, haben sie nur den nach der Unterhaltstabelle geschuldeten Kindesunterhalt gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen zu befriedigen.
Ist der infolge der Leistung öffentlicher Jugendhilfe erhöhte Bedarf durch nicht subsidiäre Sozialleistungen gedeckt, kommt eine Haftung der Eltern für einen Mehrbedarf im Sinne von § 1610 Abs. 2 BGB nicht in Betracht.
Orientierungssatz
Leistungen der Jugendhilfe (Heimunterbringung) als originäre, nicht den Unterhaltsbedarf erhöhende Leistungen.
Normenkette
BGB § 1610 Abs. 2; SGB VIII § 94 Abs. 3 S. 2
Beteiligte
Rechtsanwälte Dres. Tischler, Carstensen, Schulz und Punke |
Rechtsanwälte Dietz und Jensen |
Verfahrensgang
AG Rendsburg (Aktenzeichen 13 F 355/99) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Rendsburg vom 15. 3. 2000 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin folgende Unterhaltsbeträge zu zahlen:
Für Juni 1999 über freiwillig gezahlte 413 DM hinaus weitere 70 DM, für die Zeit vom 1. 7. bis 6. 12. 1999 über monatlich freiwillig gezahlte 385 DM hinaus monatlich weitere 108 DM.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten der ersten Instanz tragen zu 2/5 die Klägerin und zu 3/5 die Beklagte.
Die Kosten der zweiten Instanz werden zu 1/10 der Klägerin und zu 9/10 der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die am 29.1.1985 geborene Klägerin ist die eheliche Tochter der Beklagten. Im Zusammenhang mit der Scheidung der Eltern am 22. 10.1997 wurde das Sorgerecht für die Klägerin zunächst der Beklagten übertragen. Nachdem die Klägerin im April 1999 zu ihrem Vater gezogen war, wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Rendsburg vom 7. 9 1999 die in dem Scheidungsurteil getroffene Sorgerechtsentscheidung zugunsten des Vaters der Klägerin abgeändert. Seit dem 7. 12. 1999 lebt die Klägerin nicht mehr im Haushalt des Vaters, sondern in sozialtherapeutischen Einrichtungen des Kreisjugendamts Rendsburg-Eckernförde, zunächst aufgrund einer Inobhutnahme in einer Aufnahmestation, ab 12. Februar 2000 im Rahmen einer Maßnahme zur Erziehungshilfe in einem Wohnheim in Molfsee.
Die Beklagte zahlte Unterhalt für die Klägerin für Juni 1999 in Höhe von 413 DM und ab Juli 1999 in Höhe von monatlich 385 DM zunächst an den Vater der Klägerin und nach Erhalt der Überleitungsanzeige des Kreisjugendamts Rendsburg-Eckernförde gemäß § 94 Abs. 3 SGB VIII vom 22. 2. 2000 an das Kreisjugendamt.
Die Beklagte arbeitet im Schichtdienst bei der Bahn AG im Stellwerk in Kiel. Sie wohnte bis Mai 1999 in Kiel. Nach ihrem Umzug nach Kirchnüchel im Juni 1999 macht sie im Rahmen der Unterhaltsberechnung berufsbedingte Fahrtkosten nach einem einfachen Fahrtweg von 56 km geltend.
Der Vater der Klägerin ist von Beruf Maurermeister. Im streitigen Unterhaltszeitraum erzielte er nur zeitweise Erwerbseinkünfte und bezog im Übrigen Arbeitslosengeld.
Mit der vorliegenden Klage nimmt die Klägerin die Beklagte über den freiwillig gezahlten monatlichen Unterhalt hinaus auf Zahlung des Tabellenunterhalts nach der Einkommensgruppe 4 für 1999 und nach der Einkommensgruppe 3 der Unterhaltstabelle ab 2000 in Anspruch. Den in erster Instanz zunächst angekündigten Antrag auf Zahlung des Tabellenunterhalts nach der Einkommensgruppe 4 auch ab Januar 2000 hat die Klägerin, nachdem sich das Einkommen der Beklagten durch den Wechsel der Steuerklasse verringert hatte, zurückgenommen.
Die Klägerin hat in erster Instanz zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie über freiwillig gezahlten Unterhalt in Höhe von monatlich DM 385 hinaus weiteren Unterhalt in Höhe von DM 108, insgesamt DM 493 monatlich ab 1. 10. 1999 und in Höhe von insgesamt 447 DM monatlich (582 DM - 135 DM anteiliges Kindergeld) ab 1. 1. 2000 sowie rückständigen Unterhalt für Juni bis September 1999 in Höhe von 394 DM zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Die Beklagte hat in erster Instanz vorgetragen, ihr Einkommen sei um berufsbedingte Fahrtkosten von 821,30 DM monatlich, Kreditbelastungen von 361,11 DM monatlich, eine Telefonkostenpauschale von 30 DM monatlich, Gewerkschaftsbeiträge sowie von ihr für eine Unfall- und Haftpflichtversicherung für die Klägerin zu zahlende Beiträge zu bereinigen.
Sie sei für den Weg zur Arbeit auf die Benutzung ihres Pkws angewiesen, weil sie, wenn sie werktags Frühdienst und an Wochenenden Tagdienst habe, ihren Arbeitsplatz mit öffentlichen Verkehrsmitteln überhaupt nicht pünktlich erreichen könne und bei den übrigen Schichtzeiten bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel Abwesenheitszeiten zwischen 13 1/4 und 18 1/4 Stunden täglich hinnehmen müsste. Berufsbedingte Telefonkosten hätte sie, weil sie teilweise ihre Schichteinsätze telefonisch abfragen müsse un...