Leitsatz (amtlich)

1. Eine Aufklärungspflicht besteht dann, wenn zu Lasten einer Partei ein Informationsgefälle besteht und ausdrücklich nach bestimmten Umständen gefragt wird, dabei müssen die Fragen des anderen Teils vollständig und richtig beantwortet werden. Wenn bei einem Hauskauf anlässlich einer Hausbesichtigung über Geruchsbelästigungen gesprochen worden und der Verkäufer erklärt, „dass es 2 – 3 × im Jahr dann stinke, wenn Gülle gefahren werde” stellt dies keine arglistig falsche Auskunft dar.

2. Im Hinblick darauf, dass Geruchsbelästigungen ohnehin nur sehr schwer messbar sind und das Ausmaß der Beeinträchtigung – je nach subjektiver Empfindlichkeit – unterschiedlich ausfallen kann, sieht der Senat als unterste Schwelle für eine Aufklärungspflicht ein Überschreiten der Duldungspflicht gem. § 906 Abs. 1 und 2 BGB an.

3. Eine erhebliche Geruchsbeeinträchtigung im Sinne der Geruchsimmissions-Richtlinie vom 13.5.1998 (GIRL) liegt bei Immissionshäufigkeitswerten von 10,6 bzw. 11,1 % der Jahresstunden in einem Dorf mit 160 Einwohnern und drei landwirtschaftlichen Betrieben nicht vor. Aufgrund des besonderen Gebietscharakters ist – wie es die GIRL in solchen Fällen vorsieht – neben der „Grobrasterung” gem. Ziff. 3 der GIRL eine so genannte Einzelfallbewertung gem. Ziff. 5 der GIRL vorzunehmen.

 

Normenkette

BGB § 463 S. 2, § 476 a.F.

 

Verfahrensgang

LG Lübeck (Aktenzeichen 9 O 242/96)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das am 11.3.1997 verkündete Urteil des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des LG Lübeck wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsrechtszuges.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Klägern bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Beschwer der Kläger beträgt 40.903,35 Euro (= 80.000 DM).

 

Tatbestand

Die Kläger beanspruchen von den Beklagten den sog. kleinen Schadensersatz (= Minderwert des Grundstücks) wegen Geruchsbelästigungen, über die die Beklagten arglistig getäuscht haben sollen.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 7.10.1994 (UR-Nr. 1067/94 des Notars E.T., L.) kauften die Kläger von den Beklagten zum Preis von 480.000 DM das Grundstück … Das Grundstück hat eine Größe von 1.113 qm und ist mit einem Walmdachbungalow bebaut. Die Beklagten wohnten zuvor in Timmendorfer Strand. Gemäß § 5 des Vertrages war folgender allgemeiner Gewährleistungsausschluss vereinbart:

Der Käufer erwirbt den Kaufgegenstand mit den Baulichkeiten so wie alles steht und liegt und von ihm besichtigt worden ist oder besichtigt werden konnte und zwar unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung des Verkäufers für Größe, Güte und Beschaffenheit, sichtbare oder unsichtbare Mängel jeder Art, seien sie erkennbar oder nicht.

Der Verkäufer versichert jedoch, dass ihm von dem Vorhandensein von Schwamm, Hausbock, Trockenfäule oder verdeckten Mängeln nichts bekannt ist.

Der Käufer andererseits hat den Kaufgegenstand eingehend besichtigt.

Vor Abschluss des Kaufvertrages hatten die Kläger das Grundstück 2–3 mal besichtigt, davon zumindest 1 × im Beisein des Maklers H. und eines Bausachverständigen. Anlässlich dieses Besuchs ist unstreitig über Geruchsbelästigungen gesprochen worden, wobei Inhalt und Umfang der Gespräche streitig sind. In der Zeit zwischen Abschluss des Kaufvertrages bis zur Übergabe am 1.12.1994 waren die Kläger unstreitig mindestens 3 mal am Objekt, um durchzuführende Handwerkerarbeiten zu koordinieren bzw. zu beaufsichtigen.

Die Beklagten hatten zuvor sieben Jahre in … gewohnt. Der Ort hat ungefähr 160 Einwohner und ist ländlich geprägt. In ca. 80 – 100 m Entfernung vom streitgegenständlichen Grundstück befindet sich der stillgelegte Bauernhof des Eigentümers M.M. Der auf dem Hof befindliche Schweinestall mit ca. 550 Mastplätzen wurde noch bis Mitte 1998 von dem Pächter, dem Landwirt Kl., betrieben. Aus wirtschaftlichen Gründen hat der Pächter die Mast inzwischen aufgegeben und den Stall an die Besitzer zurückgegeben. Die Liegeboxen sind bereits abgebaut, der vorhandene Güllebehälter sollte noch im Jahre 2002 abgebaut werden. Neben dem Hof M. befinden sich in L. noch zwei weitere landwirtschaftliche Betriebe sowie eine Hobbyzucht von Galloway-Rindern. Die beiden landwirtschaftlichen Betriebe liegen nördlich der Dorfstraße, südlich der Dorfstraße befindet sich ein weiterer großer landwirtschaftlicher Betrieb, der sich auf die Hühnermast spezialisiert hat. Der Flächennutzungsplan der Gemeinde aus dem Jahre 1970 weist das streitgegenständliche Grundstück als „Mischgebiet” aus, in dem seit dem 23.6.2002 bestandskräftigen neuen Flächennutzungsplan ist der Bereich nunmehr als „Wohngebiet” i.S.d. BNVO überplant worden.

Im Mai 1995 stellten die Kläger erstmals üble Gerüche bei der Gartenarbeit fest. Mit Schreiben vom 29.4.1996 rügten die Kläger erstmals ggü. den Beklagten, dass sie über die von dem Schweinemastbetrie...

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