Entscheidungsstichwort (Thema)
Formelle Ordnungsmäßigkeit einer gewerblichen Betriebskostenabrechnung trotz eines Umfangs der Abrechnung von bis zu 21 Seiten und einer gewissen Unübersichtlichkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Für die ordnungsgemäße formelle Abrechnung der gewerblichen Betriebskosten ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass diese den Anforderungen des § 259 BGB entspricht, also eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben enthält (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil v. 29.01.2020 - VIII ZR 244/18). Dabei ist zu berücksichtigen, dass an die Abrechnungen von Nebenkosten in formeller Hinsicht keine zu hohen Anforderungen zu stellen sind (vgl. BGH, Urteil v. 20.01.2016 - VIII ZR 93/15).
2. Der Mieter muss in der Lage sein, die Art des Verteilungsmaßstabs der einzelnen Kostenpositionen zu erkennen und den auf ihn anfallenden Anteil an den Gesamtkosten rechnerisch nachzuprüfen. Ob die abgerechneten Positionen dem Ansatz und der Höhe nach zu Recht bestehen oder sonstige Mängel der Abrechnung vorliegen, etwa ein falscher Anteil an den Gesamtkosten zugrunde gelegt wird, betrifft allein die inhaltliche Richtigkeit (vgl. BGH WuM 2009, 42 ff.; BGH WuM 2010, 683 ff.; BGH WuM 2010, 742 ff.; BGH WuM 2010, 493 ff.).
3. Nur wenn der angegebene Verteilungsmaßstab unverständlich ist, der Mieter also nicht in der Lage ist, die Art des Verteilungsmaßstabs der einzelnen Kostenpositionen zu erkennen und den auf ihn anfallenden Anteil an den Gesamtkosten rechnerisch nachzuprüfen, liegt ein formeller Mangel vor, der zur formellen Unwirksamkeit der Abrechnung führt (vgl. BGH WuM 2008, 381; BGH WuM 2009, 42).
4. Soweit der Mieter meint, er müsse jede einzelne Zahl - insbesondere bezüglich der unterschiedlichen Flächenangaben - durch Aufschlüsselung von Fläche und Flächenart bereits aus der Abrechnung selbst nachvollziehen können, damit die formelle Ordnungsmäßigkeit gewahrt sei, ist dem nicht zu folgen. Die Angabe unterschiedlicher Gesamtwohnflächen in einer Betriebskostenabrechnung beeinträchtigt grundsätzlich nicht deren Nachvollziehbarkeit, da sich die Verteilung der Betriebskosten auch in einem solchen Fall regelmäßig ohne gedankliche und rechnerische Schwierigkeiten aufgrund der in der Abrechnung angegebenen Werte nachvollziehen lässt (vgl. schon BGH, Urteil v. 23.06.2010 - VIII ZR 227/09, BGH, Urteil v. 20.10.2010 - VIII ZR 73/10, BGH, Beschluss v. 18.01.2011 - VIII ZR 89/10).
5. Soweit für den Mieter nach Erhalt der Abrechnungen Fragen zu den Einzelansätzen offen bleiben, lässt sich das Argument des Bundesgerichtshofes hinsichtlich eines angegebenen Gesamtkostenbetrags (BGH, Urteil vom 20. Januar 2016 - VIII ZR 93/15), dass der Mieter zur Prüfung der materiellen - nicht aber der formellen - Richtigkeit von Betriebskostenabrechnungen Einsicht in die Belege nehmen müsse, im Hinblick auf die hier streitigen Flächenangaben dahingehend weiterentwickeln, dass der Mieter auch diesbezüglich gehalten ist, eigene Nachfragen zu stellen.
6. Auch der Umstand, dass beim Umlageschlüssel "Anteil" und "Anteil Müllabfuhr" die Einheit "ST" nicht im Einzelnen erläutert wird, führt nicht zu einem formellen Mangel der Betriebskostenabrechnung.
7. Ein Anspruch auf Neuerteilung der Betriebskostenabrechnungen ergibt sich schließlich auch nicht aus den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB.
Normenkette
BGB §§ 242, 259
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Kiel vom 12.07.2019, Az. 13 O 63/19, wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von der Beklagten die Neuerteilung von Betriebskostenabrechnungen.
Der Kläger war vom 29.03.2010 bis zum 31.12.2016 Mieter von Büroräumlichkeiten der Beklagten nebst Lagerflächen und Stellplätzen in dem Büro- und Verwaltungsgebäude K.-Weg ..., K. Die Beklagte hat das Objekt zum 31.12.2017 veräußert.
Laut § 5 des zwischen den Parteien geschlossenen Mietvertrages vom 18./23.02.2010 (Anlage K1, Anlagenband) betrug die Miete monatlich EUR 12.149,25. Es folgte sodann eine Aufgliederung der jeweiligen Quadratmeter nach Art der Flächen. Der Kläger hatte neben der Miete alle mit dem Mietobjekt verbundenen Betriebs- und Bewirtschaftungskosten zu tragen. In teilweiser Anlehnung an die Betriebskostenverordnung waren dies insbesondere die folgenden Kosten: die laufenden öffentlichen Lasten, insbesondere Grundsteuer, Wasserversorgung, Entwässerung (inkl. Oberflächenentwässerung), Heizung/Klimatisierung, Betrieb der Aufzugsanlage, Straßen- und Parkplatzreinigung/Winterdienst (auch auf Dächern etc.), soweit nicht gemäß § 16 des Mietvertrages ohnehin Miet...