Schon die am Gesetzestext der §§ 20, 21 WEG vorgenommenen Veränderungen dokumentieren insoweit einen Paradigmenwechsel. Der von § 20 Abs. 1 WEG geregelte Beschluss über eine bauliche Veränderung ändert den (bisherigen oder ursprünglichen) Soll-Zustand des gemeinschaftlichen Eigentums. Abzugrenzen hiervon ist die tatsächliche Vornahme der betreffenden baulichen Maßnahme (Realakt) selbst.

4.5.1 Anwendungsbereich

Alle baulichen Maßnahmen, die die Voraussetzungen der (modernisierenden) Erhaltung (Instandhaltung und Instandsetzung) gem. § 18 Abs. 2, 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG nicht erfüllen, unterfallen der Bestimmung des § 20 Abs. 1 WEG.

 
Hinweis

Definition

Als bauliche Veränderung wird jede über die bloße Erhaltung (Instandhaltung und Instandsetzung) hinausgehende Umgestaltung des gemeinschaftlichen Eigentums in seiner bestehenden Form, und zwar nicht nur von Bauwerken, sondern auch von unbebauten Grundstücksteilen, angesehen.[1] Eine bauliche Veränderung liegt also allgemein bei einer Veränderung bereits vorhandener Gebäudeteile und bei jeder auf Dauer angelegten gegenständlichen Veränderung realer Teile des gemeinschaftlichen Eigentums vor, die von dem im Aufteilungsplan vorgesehenen Zustand abweicht.

Substanzeingriff

Bauliche Veränderungen sind daher Anbauten, Umbauten und nicht notwendige Eingriffe in das Aussehen oder die Substanz des Gebäudes.[2] Streitig war früher, ob die bauliche Veränderung begrifflich einen nicht unerheblichen Substanzeingriff voraussetzte/erforderte. Hieran kann es z. B. beim Anbringen eines Balkonkraftwerks fehlen. Diesen Streit hat das WEMoG nicht gelöst.[3] Die nach dem hier geprägten Begriff maßgebliche Soll-Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Eigentums verändert sich nur durch Substanzeingriffe, die das Gemeinschaftseigentum verändern und durch jene, die von § 21 WEG beantworteten Kosten- und Nutzungsfragen aufwerfen. Daher ist der Substanzeingriff erforderlich.

[3] Verneinend Hogenschurz in Jennißen, WEG, § 20 Rn 7; bejahend Hügel/Elzer, WEG, § 20 Rn 21.

4.5.2 Formlose Zustimmung oder Beschlusszwang?

Fraglich war, ob der die Genehmigung einer baulichen Veränderung wünschende Wohnungseigentümer die Zustimmung der nachteilig betroffenen übrigen Wohnungseigentümer außerhalb einer Eigentümerversammlung (formlos) einholen kann[1] oder ob es hierfür eines formellen in einer Eigentümerversammlung gefassten Beschlusses bedarf.[2] Der BGH hat diese Frage nunmehr entschieden: Es besteht Beschlusszwang![3]

Nur formelle Beschlüsse binden auch den jeweiligen Rechtsnachfolger im Eigentum gem. § 10 Abs. 3 Satz 2 WEG, was zur Rechtssicherheit beiträgt.

[1] So eine zum alten Recht noch vertretene Auffassung.
[2] So LG Hamburg, Urteil v. 16.1.2013, 318 S 55/12, ZMR 2013 S. 373.

4.5.3 Zitterbeschlussfassung

Tatsächlich enthält § 20 Abs. 1 WEG die gesetzliche Regelung eines sog. Zitterbeschlusses.

Hiernach besteht die ausdrücklich eingeräumte Beschlusskompetenz unabhängig vom Vorliegen oder Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 20 Abs. 4 WEG (Veränderungssperre). Wegen des Wortlauts "dürfen" ist klar, dass hier bei einem Verstoß nur Anfechtbarkeit, aber keine Nichtigkeit vorliegt.[1] Ein solch rechtswidriger Beschluss kann mangels fristgerechter Erhebung der Anfechtungsklage gem. § 45 WEG in Bestandskraft erwachsen.

Nach älterer überholter Auffassung war durch die gesetzliche Regelung die Fassung eines Zitterbeschlusses nicht möglich.

[1] Dötsch in Bärmann, WEG, 15. Aufl. 2023 § 20 Rn. 351.

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge