Rz. 1
Der Mietprozess weist verschiedene Besonderheiten auf, die ihn von den übrigen Erkenntnisverfahren unterscheiden. Dies gilt insbesondere für die Zuständigkeit des zu befassenden Gerichts wie auch für das Urteil und das Rechtsmittelverfahren. Für die Räumung der Wohnung gelten zudem weitere Besonderheiten, die sich aus der überragenden Bedeutung der Wohnung als Lebensmittelpunkt des Mieters ergeben.
1.1 Zuständigkeit
Rz. 2
Für Streitigkeiten über Ansprüche aus Miet- oder Pachtverhältnissen über Räume oder über das Bestehen solcher Verhältnisse ist örtlich ausschließlich das Gericht zuständig, in dessen Bezirk sich die Räume befinden (§ 29a Abs. 1 ZPO). Diese örtliche Zuständigkeit gilt für alle Miet- oder Pachtverträge über Räume, auch für Ansprüche aus einem Mietverhältnis über eine Werkmietwohnung (Schmidt-Futterer/Lindner,Vorbem. § 576 Rn. 11) und für Ansprüche aus den mit dem Mieter/Pächter geschlossenen Untermiet- und Unterpachtverträgen sowie den (mit einem gewerblichen oder nicht gewerblichen) Zwischenvermieter zustande gekommenen Zwischenvermietungsverträgen (Prütting/Gehrlein, § 29a ZPO Rn. 3; Zöller/Vollkommer, § 29a ZPO Rn. 6). Daher fallen unter § 29a ZPO auch sog. Endmieter ("Dritte" i. S. d. § 565) sowie die gemäß § 328 einbezogenen Dritten (echte Miet-/Pachtverträge zugunsten Dritter).
Regress gegen Neumieterin
Wenn die aus dem Mietvertrag durch mehrseitige Vereinbarung zwischen Altmieter, Neumieter und Vermieter ausscheidende Mieterin die "Kaution stehen lässt" und einen Regressanspruch gegen die Neumieterin geltend macht, ist ebenfalls die ausschließliche Zuständigkeit nach § 29a ZPO gegeben (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 29.7.2019, I-5 SA 27/19, ZMR 2019, 862).
§ 29a Abs. 1 ZPO gilt auch für miet-(pacht)vertraglich Mithaftende, nicht aber für sonstige Dritte, z. B. selbstschuldnerische Bürgen (BGH, Beschluss v. 16.12.2003, X ARZ 270/03, GE 2004, 476), auch nicht für die Klage des Zwangsverwalters gegen den Eigentümer auf Herausgabe der Kaution (AG Berlin-Neukölln, Urteil v. 7.9.2004, 8 C 21/04, GE 2005, 495). § 29a ZPO gilt auch nicht für die Zahlungsklage eines Hoteliers gegen den Gast, der die gebuchte Unterkunft nicht in Anspruch genommen hat; insoweit gilt vielmehr § 29 Abs. 1 ZPO (Gerichtsstand des Erfüllungsortes), wobei der Ort des Hotels maßgebend ist (LG Münster, Urteil v. 26.2.2018, 3 S 125/17, Juris).
Gleichgültig ist, ob der Miet-(Pacht)Vertrag (noch) besteht und überhaupt – wirksam – zustande gekommen ist. Die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts für Wohnraummietsachen hängt nicht von der zufälligen Verteilung der Parteirollen ab. Es reicht aus, dass zwischen den Parteien eine "Streitigkeit" über den Bestand eines Wohnraummietverhältnisses besteht (LG Berlin, Beschluss v. 13.2.2020, 67 O 78/19, GE 2020, 543). Beruft sich der auf Räumung und Zahlung einer Nutzungsentschädigung verklagte Mieter schlüssig auf einen (mündlich geschlossenen) Wohnraummietvertrag, so ist für diesen Rechtsstreit ausschließlich das AG zuständig, in dessen Bezirk der Wohnraum belegen ist (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 8.11.2007, I-24 U 117/07, ZMR 2008, 127; LG Berlin, Beschluss v. 13.2.2020, 67 O 78/19, a.a.O.). Bei gewerblicher Zwischenvermietung i. S. d. § 565 gilt § 29a ZPO im Verhältnis zwischen dem Endmieter ("Dritten" i. S. d. § 565) und dem Zwischenvermieter ("Mieter" i. S. d. § 565) als auch bei Eintritt des Vermieters bei Beendigung des Zwischenvermietungsvertrages im Verhältnis von Vermieter und Endmieter ("Dritter" i. S. d. § 565). Unerheblich ist, ob es sich um gewerbliche oder nicht gewerbliche Zwischenvermietung handelt (BGH, Urteil v. 30.4.2003, VIII ZR 163/02, GE 2003, 1151). Daher gilt § 29a Abs. 1 ZPO auch für das Mietverhältnis zwischen dem karitativen Verein, der seinerseits die Wohnung von dem Eigentümer angemietet hatte, und dem Vereinsmitglied (Endmieter), dem die Wohnung aus karitativen Zwecken überlassen worden ist. Unerheblich ist auch, ob es sich um einen Miet-(Pacht)Vertrag über Wohnraum oder über sonstige Räume handelt. Das gilt sowohl für Streitigkeiten über Ansprüche aus einem Mietverhältnis über Wohnraum als auch für Streitigkeiten über Ansprüche aus Miet- oder Pachtverhältnissen über sonstige Räume. Diese ausschließliche Zuständigkeit gilt nicht nur für Räumungs-, sondern auch für Zahlungs- und Feststellungsklagen sowie Klagen auf Abschluss eines Mietvertrages aufgrund einer Mietoption oder eines Vorvertrages. Auch Klagen aus Verschulden bei Vertragsanbahnung fallen unabhängig davon darunter, ob das Mietverhältnis zustande gekommen ist (Prütting/Gehrlein, § 29a ZPO Rn. 3). § 29a Abs.1 ZPO gilt auch, wenn der Mieter auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde klagt oder wenn die Klage sich gegen den Beitretenden aus einem Schuldbeitritt richtet, nicht dagegen, wenn der Vermieter den Bürgen in Anspruch nimmt (BGH, X ARZ 270/03, NZM 2004, 299) oder wenn der Vermieter gegenüber dem Mieter seine Gegenforderungen einredeweise geltend macht (OLG Hamm, NJW-RR 1992, 1036; AG Köln WuM 2000, 674)...