AG Berlin-Kreuzberg: Unwirksame Befristung bei Vermietung von Studentenbude
Räumungsklage eines Vermieters
Ein Vermieter vermietete eine möblierte Ein-Zimmer Wohnung von 34 qm an zwei Studenten mit einer Miete von pauschal 1.030,00 Euro. Laut Mietvertrag war die Mietdauer auf sechs Monate befristet.
In einer Klausel stand: „Die Mietern (sic) erklären ausdrücklich, dass das o.g. angemietete Mietobjekt nicht zum dauernden Lebensmittelpunkt den Mietern (sic.) wird. Hierzu erklären die Mieter weiter, dass sie nur eine kurzfristige Gebrauchsüberlassung wünschen, weil sie zurzeit studieren. Lebensmittelpunkt ist INDIA.“
Eine weitere Klausel lautete: „Die Parteien sind sich darüber einig, dass sowohl die besonderen Umstände der Anmietung und des Vertragszwecks (insbesondere Möblierung, überschaubare Vertragsdauer, Kurzfristigheit (sic.) der Gebrauchsüberlassung), als auch das baldige Vertragsende feststehen und diese Vorstellungen beider Parteien gerade Vertragsinhalt sein sollen.“
Nachfolgend wurde der Mietvertrag in einem „Nachtrag“ um weitere 6 Monate verlängert. Die vereinbarte Pauschalmiete betrug 1.050 Euro.
Rund einen Monat vor Ablauf der Laufzeit des Mietvertrags erklärten die Mieter, dass sie nicht aus der Wohnung ausziehen, weil es sich um ein unbefristetes Mietverhältnis handelt.
Nachdem die Mieter den angebotenen Mietvertrag - vermutlich wegen der Höhe der vorgesehenen Pauschalmiete - abgelehnt hatten, verklagte der Vermieter sie auf Räumung der Mietwohnung. Er berief sich unter anderem darauf, dass die Mieter angeblich erklärt haben, dass sie sich in Berlin nur vorübergehend zum Studium aufhalten.
AG Berlin-Kreuzberg weist Klage des Vermieters ab
Das Amtsgericht Berlin-Kreuzberg wies die Klage ab (Urteil v. 15.03.2024, 14 C 336/23).
Das Gericht begründete das damit, dass mangels Befristungsgrundes im Sinne von § 575 BGB Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BGB keine wirksame Befristung vereinbart worden ist. Von daher gelte der Mietvertrag als unbefristet abgeschlossen im Sinne des § 575 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Kein vorübergehender Gebrauch einer Mietwohnung
Diese Regelung sei anwendbar, weil es sich um keinen vorübergehenden Gebrauch einer Mietsache im Sinne von § 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB handelt. Dies ergebe sich daraus, dass kein besonderer Anlass für die Anmietung der Wohnung bestanden habe. Hierfür reiche nicht, dass die Wohnung zum Zwecke des Studiums angemietet worden ist. Denn ein Studium erstrecke sich normalerweise über einen längeren Zeitraum. Von daher sei es nicht etwa mit einem Hotelzimmer oder einer Ferienwohnung vergleichbar, an die der Gesetzgeber vor allem gedacht habe.
Vorübergender Aufenthalt reicht nicht
Hiergegen spricht nach Auffassung des Gerichtes nicht, dass die Studenten sich angeblich vorübergehend in Berlin aufhalten. Denn der Begriff vorübergehend im Sinne des § 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB könne hier auch längere Zeiträume erfassen. Eine Ausnahme komme in Betracht, wenn eine Wohnung semesterweise vermietet wird. Das sei hier zu verneinen, weil der Mietvertrag keine solche Regelung enthalte. Ungeachtet dessen entspreche die erste Befristung nicht dem üblichen Semesterturnus.
Kein Wohnheim im Sinne von § 549 Abs. 3 BGB
Schließlich verwies das Gericht darauf, dass sich um keine Wohnung in einem Studentenwohnheim handelt. Von daher komme könne sich die Zulässigkeit einer Befristung nicht aus § 549 Abs. 3 BGB ergeben.
Rechtskraft der Entscheidung
Da die Parteien gegen die Entscheidung des AG Kreuzberg keine Berufung eingelegt haben, wurde das Urteil rechtskräftig.
Einordnung dieser Entscheidung
Durch diese Gerichtsentscheidung wird die Position von studentischen Mietern gestärkt. Der Begriff des vorübergehenden Gebrauchs wird von der Rechtsprechung als Ausnahmetatbestand eng ausgelegt. Maßgeblich sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Das ergibt sich aus einigen Gerichtsentscheidungen, die in ähnlichen Fällen ergangen sind.
OLG Hamm: Kein vorläufiger Gebrauch bei Befristung auf wenigstens 6 Monate
So hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden, dass kein vorläufiger Gebrauch der Mietsache vorliegt, wenn eine Mietvertrag mit einem Studenten für einen längeren Zeitraum als ein Semester abgeschlossen wird (Beschluss vom 04.04.1986, 7 W 13/86).
LG Heidelberg: Kein vorläufiger Gebrauch trotz kurzer Befristung
Ein Vermieter hatte mit einem angehenden Studenten einen Mietvertrag über ein Ein– Zimmer Apartment abgeschlossen.
Der „Zwischenmietvertrag“ enthielt diese Klausel: „Das Mietverhältnis beginnt am 01.07.2020 und wird befristet bis zum 30.09.2020 geschlossen, mit Option auf Verlängerung bis zum Verkauf des Hauses (4 Wochen Kündigungsfrist).“
Nachdem der Vermieter von der Verlängerungsoption Gebrauch gemacht hatte, kündigte er nach Verkauf des Hauses am 27.04.2021 den Mietvertrag zum 31.05.2021 und verklagte den Mieter auf Räumung des Apartments.
Hierzu entschied das Landgericht Heidelberg, dass der Vermieter keinen Anspruch auf Räumung hat, weil die Befristung unwirksam gewesen ist (Urteil v. 13.10.2022, 5 S 16/22). Der Kündigungsausschluss ist nach Ansicht der Richter nicht durch § 549 BGB ausgeschlossen, weil es sich um keinen vorläufigen Gebrauch handelt. Das ergebe sich daraus, dass der angehende Student nicht nur seinen vorübergehenden Wohnbedarf decken wollte. Vielmehr suchte er eigentlich eine längerfristige Bleibe und hat sich nur notgedrungen auf die kurzfristige Vermietung eingelassen. Das sei für den Vermieter auch erkennbar gewesen.
Befristeter Mietvertrag zulässig bei Studentenwohnheimen
Anders sieht die rechtliche Situation aus, wenn eine Wohnung in einem Studentenwohnheim im Sinne des § 549 Abs. 3 BGB vermietet wird. Dann ist die Befristung des Mietvertrags normalerweise wirksam.
Maßgebliches Kriterium: Rotationsprinzip
Dies setzt nach einer Grundsatzentscheidung des BGH vor allem voraus, dass die zeitliche Begrenzung des Mietvertrags nach den Rotationsprinzip erfolgt. Dieses zeichnet sich dadurch aus, dass es eine Fluktuation ermöglicht. Die freiwerdende Wohnung wird dabei wieder anderen Studenten zur Verfügung gestellt. Dadurch soll ermöglichst werden, dass wegen der angespannten Wohnungsmarktsituation möglichst viele Studenten in den Genuss eines Wohnheimplatzes kommen. Es darf hingegen nicht darum gehen, lästige Mieter loszuwerden (Urteil v. 13.06.2022, VIII ZR 92/11).
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