Entscheidungsstichwort (Thema)
Einspruch gegen Versäumnisurteil. Aussetzung der Verhandlung. Erlass eines allgemeinen Verfügungsverbots. Keine Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters. Pflichtgemäßes Ermessen des Insolvenzrichters. Gesetzliche Regelungslücke. Ausschließliche Befugnis zu Prozessanträgen
Leitsatz (redaktionell)
1. Legt der Schuldner nach ergangenem Versäumnisurteil rechtzeitig Einspruch ein, ist die Verhandlung entsprechend § 148 ZPO auszusetzen, wenn in Vorbereitung der Entscheidung über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen ihn ein allgemeines Verfügungsverbot nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO erlassen wurde.
2. Ein isoliert ausgesprochenes Verfügungsverbot hat maßgeblichen Einfluss auf den Fortgang des Verfahrens. Der Schuldner darf keinerlei Verfügungen über einen Gegenstand vornehmen, der zur Insolvenzmasse gehört, nicht aufrechnen, nicht anfechten, keinen Rücktritt erklären und keine Vergleiche schließen, er darf nicht einmal Zahlungsversprechen abgeben und ist in einem solchen Ausmaß handlungsunfähig, dass er nur noch Prozessanträge stellen kann.
Normenkette
InsO § 21 Abs. 2 Nr. 2, §§ 24, 81; ZPO §§ 240, 148
Verfahrensgang
LG Mühlhausen (Aktenzeichen 4 O 752/98) |
Tenor
Die Verhandlung wird bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens 8 IN 350/99 des Amtsgerichts Mühlhausen oder bis zur Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters in diesem Verfahren ausgesetzt.
Gründe
Durch Urteil vom 21.10.1998 hat das Landgericht Mühlhausen den Beklagten zur Zahlung von Zinsen aus 15.016,75 DM verurteilt und im Übrigen den gegen den Beklagten ergangenen Vollstreckungsbefehl des Amtsgerichts Mayen vom 06.04.1998 über 15.016,75 DM aufrechterhalten. Hiergegen hat der Beklagte Berufung eingelegt, im Verhandlungstermin vor dem Senat vom 29.02.2000 aber Versäumnisurteil gegen sich ergehen lassen, gegen das er anschließend rechtzeitig Einspruch eingelegt hat.
Eine Terminsbestimmung aufgrund des Einspruchs konnte nicht erfolgen, vielmehr war die Verhandlung, wie aus der Beschlussformel ersichtlich, auszusetzen. Am 26.10.1999 nämlich hat das Amtsgericht Mühlhausen in Vorbereitung der Entscheidung über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen den Beklagten ein allgemeines Verfügungsverbot nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO erlassen. Diese Anordnung hat keinen unmittelbaren Einfluss auf den vorliegenden Rechtsstreit, unterbricht insbesondere das Verfahren nicht nach § 240 ZPO, weil das Insolvenzgericht von der Möglichkeit, gleichzeitig einen vorläufigen Insolvenzverwalter nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO zu bestellen, keinen Gebrauch gemacht hat. Beide Voraussetzungen aber, Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters und Erlass eines allgemeinen Verfügungsverbots gegen den Schuldner, müssen vorliegen, um die Unterbrechungswirkung des § 240 ZPO auszulösen. Der Insolvenzrichter war auch nicht verpflichtet, neben dem allgemeinen Verfügungsverbot gegen den Schuldner einen vorläufigen Insolvenzverwalter zu bestellen. Dies stand allein in seinem pflichtgemäßen Ermessen (Kübler/Prütting, Kommentar zur InsO, Köln 1999, Rn. 11 zu § 21 InsO), wenn auch die Verbindung beider Maßnahmen grundsätzlich ratsam ist, weil das isolierte Verfügungsverbot bewirkt, dass niemand über die Insolvenzmasse verfügen darf (vgl. Heß, Kommentar zur InsO, Rn. 26 zu § 21).
Eine Aussetzung der Verhandlung in unmittelbarer Anwendung des § 148 ZPO kommt nicht in Betracht, weil das beim Insolvenzgericht schwebende Vorverfahren zur Vorbereitung der Entscheidung über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens kein anderweitig anhängender Rechtsstreit zur Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines vorgreiflichen Rechtsverhältnisses ist. § 148 ZPO ist jedoch entsprechend anzuwenden, weil das Gesetz eine Regelungslücke enthält, die mit dem dieser Vorschrift zugrunde liegenden Rechtsgedanken geschlossen werden kann.
Das isoliert ausgesprochene Verfügungsverbot hat maßgeblichen Einfluss auf den Fortgang des Verfahrens. Der Beklagte in einem Rechtsstreit darf keinerlei Verfügungen über einen Gegenstand vornehmen, der zur Insolvenzmasse gehört. Eine Aufrechnung mit einer zur Masse gehörenden Gegenforderung, die wie hier erklärte Anfechtung eines Vertrages, ein Rücktritt und ebenso sonstige Verfügungen im Rahmen eines Vergleichsabschlusses, sind einem Beklagten nicht möglich. Sie wären gemäß §§ 24, 81 InsO unwirksam. Selbst obligatorische Verpflichtungen in einem Vergleich, wie ein Zahlungsversprechen, sind sinnlos, weil der Beklagte sie nicht erfüllen darf. Daraus ergibt sich, dass das isoliert ausgesprochene allgemeine Verfügungsverbot nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO die beklagte Partei in einem solchen Ausmaß handlungsunfähig macht, dass sie nur noch Prozessanträge stellen kann. Volle Handlungsfähigkeit des Beklagten ist erst gegeben, wenn das Insolvenzgericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen oder abgelehnt hat. Erst dann kann entweder der Schuldner oder der vorläufige...